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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Blick über die Schulter. Durch das offene Schott konnte sie in die Schleuse und den Verbindungskorridor blicken. Immer noch war niemand zu sehen, doch sie wusste, dass die Schleuse überwacht wurde. Auf keinen Fall durfte sie zulassen, dass sich der lautlose Kampf außerhalb der Charon fortsetzte.
    Julians Tochter starrte sie an, den Kasten der tickenden Atombombe umschlungen wie etwas Liebgewonnenes, von dem sie sich nie wieder trennen mochte.
    »Unschlüssig?«, grinste sie.
    »Geben Sie mir das Ding, Lynn.« Lawrence atmete schwer, weniger vor Anstrengung als vor Wut. »Auf der Stelle.«
    »Nein.«
    »Das ist ein teures, wissenschaftliches Gerät. Ich weiß nicht, was in Sie gefahren ist, aber Sie sind dabei, ein Experiment von hohem Wert zunichtezumachen. Ihr Vater wird toben.«
    »Oh, huh!« Lynn rollte gespenstisch die Augen. »Wird er das?«
    »Lynn, bitte!«
    »Ich weiß, was das ist, Dreckstück. Das ist eine Bombe. Genauso eine, wie ihr sie in der Basis versteckt hattet, Carl und du.«
    »Sie sind verwirrt, Lynn. Sie –«
    »Komm mir nicht so!«, schrie Lynn. »Ich bin vollkommen in Ordnung!«
    »Okay.« Lawrence hob beschwichtigend die Hände. »Sie sind vollkommen in Ordnung. Aber das da ist keine Bombe.«
    »Dann ist es ja auch kein Problem, mich rauszulassen!«
    Lawrence ballte die Fäuste und rührte sich nicht vom Fleck, während ihre Gedanken sich überschlugen. Sie musste die Mini-Nuke zurück in ihren Besitz bringen, doch was tat sie mit der Irren, die so irre offenbar nicht war? Wenn sie Lynn leben und zurück zu den anderen ließ, konnte sie die Bombe ebenso gut abliefern und alles gestehen.
    »Probleme?« Lynn kicherte. »Ohne mich wird der Fahrstuhl nicht zur Erde zurückkehren, nicht wahr? Sie werden nach mir suchen, stundenlang, und du musst mitsuchen. Du kannst gar nichts tun.«
    »Geben Sie mir den Kasten«, sagte Lawrence mühsam beherrscht und schwebte näher.
    Lynn ließ die Bombe sinken. Einen Moment schien es, als erwäge sie, Lawrences Aufforderung nachzukommen, dann warf sie sie blitzschnell hinter sich ins Wohnmodul.
    »Und jetzt?«, fragte sie.
    Lawrence fletschte die Zähne.
    Und plötzlich setzte ihr Verstand aus, und sie griff zu der getarnten Tasche am Oberschenkel und förderte Hannas Waffe zutage. Lynns Augen weiteten sich. Mit einem Satz sprang sie der Bombe hinterher. Ihre Hand schlug gegen den Sensor, der das Schott zwischen Modul und Wohneinheit in Bewegung setzte. Lawrence fluchte, doch die Verbindungstür schloss sich zu schnell, keine Chance, hindurchzugelangen, allenfalls würde sie eingeklemmt werden. Durch den immer schmaler werdenden Spalt sah sie Lynns Oberkörper, ihr fliegendes, aschblondes Haar, das ihr Gesicht halb verdeckte, zielte und schoss.
    Das Schott fiel mit dumpfem Poltern zu. Sofort war sie beim Kontrollfeld und versuchte es wieder zu öffnen, doch es rührte sich nicht. Lynn musste von innen die Notverriegelung betätigt haben.
    Rasend vor Wut hämmerte sie gegen die Stahltür.
    Zu spät.
     
    Ihr Körper trieb, sich überschlagend, durch den Salon.
    Spiralen drehten sich vor ihren Augen. Unter Mühen fokussierte Lynn ihre Gedanken auf die Kommandokanzel im rückwärtigen Bereich, brachte sich in die Waagerechte, umfasste den Rand des nächsten Durchgangs und verlieh ihrer Vorwärtsbewegung neuen Schwung, der sie geradewegs zur Kontrollkonsole trug.
    Das Terminal. Sie musste das Terminal rufen.
    »Lynn Orley«, keuchte sie. »Hört mich jemand?« Nanu? Was war mit ihrer Stimme los? Warum klang sie so kraftlos, so gequetscht?
    »Miss Orley, ja, ich höre Sie.«
    »Stellen Sie mich zu meinem Vater durch. Er ist in seiner – seiner Suite. – Schnell, machen Sie schnell!«
    »Sofort, Miss Orley.«
    Etwas hatte seinen Weg mit durch den Spalt gefunden. Etwas, das schmerzte und ihre Sinne trübte. Ihr Atem ging rasselnd, Dunkelheit senkte sich auf sie herab.
    »Julian«, flüsterte sie. »Daddy?«
     
    Lawrence war außer sich. Hatte sich hinreißen lassen. Sich wie eine blutige Anfängerin ihren Gefühlen überlassen, anstatt auf Diplomatie zu setzen. Nun blieb nur noch die Flucht. Ob sie Lynn getötet, verwundet oder überhaupt nicht getroffen hatte, war irrelevant, sie musste die OSS verlassen, bevor der Fahrstuhl eintraf. Voller Zorn katapultierte sie sich aus dem Landemodul, schnellte den Korridor hinab und in den Torus hinein, legte an und schoss einen der Astronauten in den Kopf.
    Der Mann kippte zur Seite und trieb langsam davon. Mit gestreckten

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