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Limit

Limit

Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Beinen bremste sie ab und richtete den Lauf der Waffe auf den anderen. Er starrte sie in namenlosem Entsetzen an, die Hände über dem Touchscreen.
    »Einen der Evakuierungsgleiter her!«, schrie sie. »Schnell!«
    Der Mann zitterte.
    »Los! Hol ihn her!«
    Wutentbrannt versetzte sie ihm einen Schlag ins Gesicht. Er klammerte sich an der Konsole fest, um nicht den Halt zu verlieren.
    »Es geht nicht«, keuchte er.
    »Bist du bescheuert?« Natürlich ging es, warum sollte es nicht gehen? »Willst du sterben?«
    »Nein – bitte –«
    Blödes Arschloch! Versuchte, sie hinzuhalten! Alle Docking-Ports waren über den Ring verschiebbar, das wusste sie. Er würde die Charon eben woanders parken und an ihrer statt einen der Gleiter zur Schleuse fahren und dort verankern.
    »Mach schon«, zischte sie.
    »Es geht nicht, wirklich nicht.« Der Astronaut schluckte, leckte seine Lippen. »Nicht während des Startvorgangs.«
    »Wieso Startvorgang?«
    »Wä – während ein Schiff startet, kann ich den Docking-Port nicht verschieben, dann muss ich warten, bis –«
    »Startet?«, schrie sie ihn an. »Was startet denn da?«
    »Die –« Er schloss die Augen. Seine Lippen bewegten sich seltsam asynchron zu dem, was er sagte, als bete er nebenher. Speichel glänzte in seinen Mundwinkeln, und er begann sich einzunässen.
    »Mach das Maul auf, verdammt!«
    »Die Charon. Es ist die Charon. – Sie – sie startet.«
     
    »Daddy?«
    Julian stutzte. Eben hatte er sich mit Jennifer Shaw unterhalten, als ein zweites Fenster auf der Holowand erschienen war.
    »Lynn«, sagte er überrascht. »Entschuldigen Sie, Jennifer.«
    »Daddy, du musst sie aufhalten.«
    Ihr Gesicht hing extrem dicht vor der Kamera, die das Bild übertrug, eingefallen und wächsern, als stehe sie kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren. Kurzerhand schaltete er Shaw auf Stand-by.
    »Lynn, ist alles in Ordnung?«
    Sie schüttelte kraftlos den Kopf.
    »Wo bist du?«
    »Im Raumschiff. Ich – ich hab die Charon gestartet.«
    »Was hast du?«
    »Ich fliege weg – ich bringe – die Bombe von hier weg.« Julian sah ihre Augenlider flattern und ihren Kopf vornüberkippen. »Sie hat eine zweite Bombe an Bord geschmuggelt, sie oder – Carl, ich weiß nicht –«
    »Lynn!«
    Seine Hände krampften sich um die Konsole. Mit der Verzögerung von Schlangengift sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein, was in diesen Sekunden geschah. Wo die zweite Bombe war. Natürlich! Es ergab auf entsetzliche Weise Sinn. Das hier war nicht einfach ein Schlag gegen die Amerikaner, es war eine Attacke gegen die Raumfahrt!
    »Lynn, das darfst du nicht!«, drängte er. »Bring die Charon zurück! Das darfst du nicht!«
    »Du musst sie aufhalten«, flüsterte sie. »Dana – es ist Dana Lawrence. Sie ist die – sie ist Hannas –«
    »Lynn! Nein!«
    »Tut mir – leid, Daddy.« Ihre Worte waren kaum noch zu verstehen, ein Hauch. Sie schloss die Augen. »So leid.«
     
    Das Raumschiff entkoppelte. Die mächtigen, stählernen Krallen, die es mit der Schleuse verbanden, öffneten sich und gaben die Charon frei.
    Langsam trieb sie hinaus in den offenen Weltraum.
    Julians Stimme drang an ihr Ohr. Er rief ihren Namen, immer und immer wieder, wie von Sinnen.
    Lynn legte sich auf den Rücken.
    Ach, Quatsch, Rücken, sie war ja schwerelos. Alles eine Frage der Sichtweise, ob sie auf dem Rücken oder auf dem Bauch lag. Vielleicht lag sie ja auch auf der Seite, klar lag sie auf der Seite, alles zugleich, aber aus dieser Perspektive konnte sie die Bombe sehen, die über ihr schwebte und sich gemächlich drehte.
    Das Display verschwamm vor ihren Augen.
    08:47
    Nein, keine 8. Waren das nicht zwei Nullen? 00:47?
    00:46
    46 Minuten? Minuten natürlich, was sonst. Oder doch Sekunden?
    Zu knapp, die Zeit! Sie musste Schub geben.
    Schub!
    Vor ihren Augen eierten rote Kügelchen durch den Raum, manche winzig, andere groß wie Murmeln. Sie griff danach, zerrieb eine zu Schmiere, und plötzlich wurde ihr klar, dass der rote Perlenvorhang ihrer Brust entsprang. Etwas Lästiges steckte dort, das ihre Kraft fraß und ihre Bewegung einschränkte, außerdem war sie entsetzlich müde, doch sie durfte sich nicht der Ohnmacht überlassen. Sie musste das Schiff beschleunigen, um Distanz zwischen sich und die OSS zu legen. Dann, in sicherer Entfernung, die Bombe loswerden. Irgendwie. Über Bord werfen. Oder sich ins Landemodul retten und den Wohnteil mit der Mini-Nuke abkoppeln. Zurückkehren.
    Irgend so was.
    Fischartig

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