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Limit

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Titel: Limit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Dach bis zum Torus haben, doch sein Anzug war das sprichwörtliche Pferd, das den Weg kannte, und ihm voraus breitete sich das Schwingenwerk dunkel glänzender Vögel mit mythischen Spannweiten aus, wachend über diesen denkwürdigen Flecken Zivilisation im All. Jenseits der Solarpaneele, welche die Station mit Energie versorgten, lag nur noch der offene Weltraum.
    »Diese Abteilung dürfte Sie besonders interessieren. Es ist Ihr Werk, Mr. Locatelli!«, sagte Black. »Mit herkömmlicher Solartechnologie hätte man die vier- bis fünffache Menge an Kollektoren installieren müssen.«
    Locatelli sagte etwas in der Art wie, das sei wahr und richtig. Dann fügte er noch Verschiedenes hinzu. O'Keefe meinte die Vokabeln Revolution und Menschheit herauszuhören, gefolgt von einem Meienschein, der wohl ein Meilenstein sein sollte, wie auch immer. Aus irgendeinem Grund vermengte sich alles zu gutturalem Porridge.
    »Darauf können Sie wirklich stolz sein, Sir«, sagte Black. »Sir?«
    Der Gepriesene hob beide Arme, als wolle er ein Orchester dirigieren. Silbenwürmer entrangen sich seiner Kehle.
    »Ist alles in Ordnung, Sir?«
    Locatelli ächzte. Dann hörte man eruptives Würgen.
    »B-4, Abbruch«, sagte Hedegaard seelenruhig. »Warren Locatelli. Ich begleite ihn zur Schleuse. Die Gruppe weiter nach Plan.«
     
    Eines Tages, erzählte Mukesh Nair, noch während seiner Studienzeit, habe man im Dörfchen Loni Kalbhor seinen Onkel vom Seil geschnitten, mit dem er sich am Dachbalken seiner Hütte erhängt hatte. Bauernselbstmorde waren damals an der Tagesordnung, bittere Ernte der indischen Agrarkrise. Mukesh war durch brachliegende Zuckerrohrfelder gewandert und hatte sich gefragt, was man gegen die Flut der Billigimporte aus den sogenannten entwickelten Nationen unternehmen könnte, deren Landwirtschaft im Federbett großzügiger Subventionen ruhte und die Welt mit Obst und Gemüse zu Spottpreisen überschwemmte, während indische Farmer keinen Ausweg aus der Schuldenfalle sahen, als sich zu entleiben.
    Damals hatte er sich bewusst gemacht, dass man die Globalisierung nicht als Prozess missverstehen durfte, den Politiker und Unternehmen nach Belieben initiierten, beschleunigten und kontrollierten. Sie war nichts, was sich an- und abstellen ließ, nicht Ursache, sondern Symptom einer Idee, die so alt war wie die Menschheit selbst, nämlich die des Austauschs von Kultur und Waren. Sie abzulehnen wäre in etwa so naiv gewesen, wie das Wetter für Missernten zu verklagen. Vom Tag an, da Menschen anderer Menschen Territorium frequentiert hatten, um Handel zu treiben oder Krieg zu führen, war es immer nur darum gegangen, sie so zu gestalten, dass man an ihr teilhatte und in möglichst großem Maße von ihr profitierte. Nair hatte begriffen, dass das Elend der Bauern keinem sinistren Pakt der Erste-Welt-Staaten in die Schuhe zu schieben war, sondern dem Unvermögen der Herrschenden in Neu-Delhi, Indiens Stärken auszuspielen. Und eine dieser Stärken – auch wenn das Land historisch wie kaum ein anderes für den Hunger in der Welt stand – lag darin, die Welt zu ernähren.
    Damals hatten Nair und einige andere die Grüne Revolution eingeleitet. Er war in die Dörfer gegangen, hatte die Bauern ermutigt, von Zuckerrohr auf Chili, Tomaten, Auberginen und Zucchini umzusteigen, sie mit Saatgut und Dünger versorgt, mit neuen Technologien vertraut gemacht, ihnen billige Kredite zur Entschuldung verschafft, Mindestabnahmen zugesichert und sie am Gewinn einer Hypermarktkette beteiligt, die er unter Zuhilfenahme moderner Kühltechnik aus dem Boden gestampft und nach seinem Lieblingsgemüse TOMATO genannt hatte. Dank ausgefeilter Logistik fanden die verderblichen Waren dermaßen schnell vom Acker in die Theken der TOMATO-Märkte, dass jedes Importprodukt dagegen alt und vergammelt aussah. Verzweifelte Landwirte, eben noch vor die Wahl gestellt, als Tagelöhner in die Stadt zu gehen oder sich im Dachboden aufzuknüpfen, wurden Unternehmer. TOMATO boomte. Immer neue Filialen eröffneten, immer mehr Bauern stärkten Nairs Gefolge im aufstrebenden Indien.
    »Die Bewohner unserer heißen, mikrobenverseuchten Metropolen liebten die klimatisierten, sauberen Frischemärkte von Anfang an«, sagte Nair. »Natürlich bekamen wir Konkurrenz, die ähnliche Konzepte verfolgte, teils mit Unterstützung ausländischer Konzerngiganten. Aber ich habe in meinen Wettbewerbern immer nur Verbündete gesehen. Im entscheidenden Moment waren wir den anderen eine

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