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Limonow (German Edition)

Limonow (German Edition)

Titel: Limonow (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmanuel Carrère
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»Serbischen Republik Bosnien« als Hauptstadt diente: eine Art balkanisches Vichy mit Skihütten und Bobbahnen anstelle von Heilbädern.
    Auf einer Offiziersmesse in Pale fiel ihm ein lustiges Männlein mit dicken Brillengläsern und Bürstenhaarschnitt auf, der über seiner Lederjacke einen Mantel der Volksarmee trug und ohne dazuzugehören auf sehr gutem Fuß mit einer Gruppe von besonders furchterregenden Tschetniks zu stehen schien. Die 7.65er-Pistole, die an seinen Schenkel schlug, wirkte an ihm wie eine Verkleidung, dachte Pawel. Er trug sie mit einem ähnlichen Stolz wie etwa Touristen in Tahiti die Blumenkränze, die man ihnen beim Verlassen des Flugzeugs zum Zeichen des Willkommens schenkt.
    Ein Team von Antenne 2 saß beim Mittagessen. Als der Typ sie französisch sprechen hörte, ging er auf sie zu. In der für jemanden im Kriegseinsatz direkten Art stellte er sich vor: Eduard Limonow, Schriftsteller mit Interesse für die Krisenherde des Planeten. Im Dezember in Vukovar dabei, im Juli in Transnistrien. »Eine Art BHL «, fügte er mit einem kurzen Lachen hinzu, »aber nicht ganz vom gleichen Ufer« – gemeint war Bernard-Henri Lévy. Die Leute von Antenne 2 musterten ihn zunächst perplex, dann angewidert. »Finden Sie es normal, als Journalist Waffen zu tragen?«, fragte ihn einer. Ein anderer beschimpfte ihn gleich als Dreckskerl. Der Russe hatte wohl nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet, doch er ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Ich könnte Sie abknallen«, sagte er und fuhr fort, während er auf die Tschetniks deutete: »Meine Freunde würde es stören, aber ich denke, sie würden mich decken. Lassen Sie mich Ihnen nur sagen, dass ich kein Journalist bin. Ich bin Soldat. Eine Gruppe von muslimischen Intellektuellen verfolgt hier grausam ihren Traum, einen muslimischen Staat zu errichten, und die Serben lehnen das ab. Ich bin ein Freund der Serben, und das stinkt Sie mit Ihrer Neutralität an, die nichts anderes ist als Feigheit. Guten Appetit.«
    Darauf drehte er sich auf dem Absatz um und ging zu seiner Tafelrunde mit den Tschetniks zurück. Der Rest des Essens verlief in tödlichem Schweigen. Am Ausgang der Offiziersmesse sagte der Toningenieur zu Pawel, er wisse, wer Limonow sei. Er habe ein Buch von ihm gelesen, ein großartiges Buch, in dem er von seinen Jahren am Hungertuch in New York erzählt und wie er sich von Negern in den Arsch ficken lässt. Pawel brach in Gelächter aus. »Von Negern in den Arsch ficken? Glaubst du, dass seine Tschetnik- Kumpels darüber auf dem Laufenden sind?«
    Im anderen Lager konnte man ausländische Schriftsteller zuhauf finden. In diesem waren es deutlich weniger. Pawel kam die Idee, den russischen Arschgefickten zu fragen, ob er bereit wäre, für seinen Film Karadžić zu interviewen. Dieser Kniff leistete ihm gute Dienste, denn er wollte weder eine Off-Stimme noch ein hingehaltenes Mikro oder andere dieser Plagen von faulen Dokumentarfilmen. Und so sieht man in Serbian Epics , einer Produktion der BBC , die später vielfach preisgekrönt und mehr oder weniger überall gezeigt wurde, » the famous russian writer Edward Limonov « im Gespräch mit » Dr. Radovan Karadžić, psychiatrist and poet, leader of the Bosnian Serbs «. Die Szene findet auf den Anhöhen statt, von wo aus serbische Geschütze Sarajewo unter Beschuss nehmen – das durch seine Kessellage dafür ideal gelegen ist. Fast ununterbrochen hört man das Krachen von Granatwerfern. Soldaten stehen um die beiden Männer herum. Mit seiner Körpergröße, seinem weiten Mantel und dem Wind, der durch seinen graumelierten Schopf wie durch das Blattwerk einer Eiche braust, wirkt Karadžić imposant, und ich muss leider sagen, dass der in seiner kurzen, schwarzen Lederjacke so zarte Limonow neben ihm wie ein blasser Kiez-Gauner erscheint, der versucht, sich beim Paten beliebt zu machen. Als Karadžić erklärt, dass er und die Seinen keine Aggressoren seien, sondern nur Territorien zurückhaben wollten, die ihnen immer schon gehört hätten, nickt er respektvoll. Mit einer Aufrichtigkeit, die mich nicht an ihm zweifeln lässt, aber auch nicht verhindert, dass er wie ein Streber wirkt, antwortet Eduard im Namen seiner russischen Landsleute und aller freien Menschen der Welt, dass er den Heldenmut bewundere, den die Serben unter Beweis stellten, indem sie sich stolz gegen fünfzehn Länder widersetzten, die sich gegen sie vereint hätten. Dann geht man unter Dichtern zur Poesie über.

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