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Limonow (German Edition)

Limonow (German Edition)

Titel: Limonow (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emmanuel Carrère
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üblichen Ernsthaftigkeit an die Aufgabe und reimte sich vierhundert Seiten über einen russischen Emigranten zusammen, der sich einen Weg durch die feine New Yorker Gesellschaft bahnt, indem er reiche Frauen in den Sadomasochismus einführt, doch trotz seiner Anstrengungen, skandalträchtig zu sein, trotz einer Titelseite auf einem angesagten Magazin, die ihn in Smoking, mit perverser Miene und zwei nackten Mädchen zu seinen Füßen zeigte, funktionierte der echte Roman, der Oscar und die Frauen hieß, nicht – und man muss sagen, er war wirklich schlecht. Von Fuck off, Amerika waren fünfzehn-tausend Exemplare verkauft worden, ein Riesenerfolg für einen Erstlingsroman, und Eduard hatte damit gerechnet, dass dieser Erfolg weiter steigen würde, doch stattdessen war er wieder etwas geschrumpft und stagnierte seitdem bei Auflagen zwischen fünf- und zehntausend Exemplaren. Rechnete man das in Einkünfte um, waren keine großen Sprünge damit zu machen: Selbst mit einigen Übersetzungen und den Vorschüssen, die man ihm gewährte, weil er irgendwie ein guter Typ war, und die den Betrag seiner tatsächlichen Anteile eigentlich überstiegen, kam er auf 50 bis 60000 Francs im Jahr, dasselbe, was ein höherer Angestellter pro Monat verdiente. Eduard gehörte immer noch zu denen, die in den Regalen der Supermärkte von Saint-Paul nach den billigsten Lebensmitteln wühlten, diesem Armenzeug, wovon er sich sein ganzes Leben lang ernährt hatte – ein Huhn für eine Suppe, die lange reicht, Nudeln, Wein in Plastikflaschen – und dann fehlten ihm an der Kasse zwei Francs, und er musste unter den verächtlichen Blicken der Kunden hinter ihm einen der Artikel zurückgeben.
    Schreiben war für ihn nie Selbstzweck gewesen, sondern das einzige greifbare Mittel, um sein wirkliches Ziel zu erreichen: reich und berühmt zu werden, vor allem berühmt; doch nach vier oder fünf Jahren Paris wird ihm klar, dass dies möglicherweise nicht gelingen könnte. Vielleicht würde er in der Rolle eines zweitrangigen Schriftstellers mit angenehm anrüchigen Ruf alt werden, die Kollegen auf den Buchmessen würden ihn mit Neid betrachten, weil er hübsche, ein bisschen zerstörerisch veranlagte Frauen anzog, und ihm ein etwas farbenfroheres Leben zuschreiben als sich selbst, doch in Wirklichkeit bewohnt er mit einer alkoholkranken Sängerin einen kleinen Verschlag, dreht die Taschen um nach etwas, wovon er sich eine Scheibe Schinken leisten kann, und fragt sich beunruhigt, welche Erinnerungen für sein nächstes Buch noch zu verwerten bleiben, denn tatsächlich kommt er an ein Ende. Er hat praktisch seine ganze Vergangenheit ausgeschlachtet, es bleibt ihm nur noch die Gegenwart, und die Gegenwart sieht so aus: nichts, worauf man stolz sein könnte, vor allem wenn man hört, dass dieses Arschloch von Brodsky gerade den Nobelpreis erhalten hat.
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    Da Eduard inzwischen zu derlei Veranstaltungen eingeladen wird, findet er sich eines Tages auf einem internationalen Schriftstellerkongress in Budapest wieder. Es sind große Humanisten dort wie der Pole Czesław Miłosz und die Südafrikanerin Na dine Gordimer. Von französischer Seite gibt es den jungen, blonden, reservierten, eleganten Jean Echenoz und Alain Robbe-Grillet mit seiner Frau: er heiter, hämisch und mit ausholenden Gesten, einer tiefen Stimme und fröhlichen Begeisterung ob seiner weltweiten Berühmtheit, doch begeistert wie ein Medizinstudent von einem guten Witz; sie eine kleine, lebendige, lustige Frau, die im Ruf steht, Orgien zu organisieren; beide letztlich sehr sympathisch. Die anderen geben das gewohnte Sortiment aus Tweedjacken, Halbmond-Brillen, lila Dauerwellen und kleinen Verlagstratschereien ab: nicht sehr verschieden von einer gut aufgelegten Delegation des Schriftstellerverbands in Sotschi.
    Eduard hat eine unheilvolle Debatte mit den ungarischen Schriftstellern, und als einer der Organisatoren seinen Stolz bekundet, so namhafte Intellektuelle begrüßen zu dürfen, erklärt er, er sei kein Intellektueller, sondern ein Proll, und zwar kein fortschrittlicher, gewerkschaftlich organisierter Proll, sondern ein misstrauischer, einer, der wisse, dass die Prolls immer die Ärsche der Geschichte sind. Die Robbe-Grillets lachen herzhaft, Echenoz lächelt, aber so, als denke er gerade an etwas anderes, die Ungarn sind bestürzt, und um sie noch mehr zu bestürzen, setzt er noch eins drauf und erklärt, weil er ein Arbeiter war, würde er Arbeiter hassen, weil er arm war und es

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