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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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im Moment gerade von Lincolns Träumen war, könnte er sagen: »Hat sie jemals geträumt, sie hätte sich selbst im östlichen Zimmer in einem Sarg liegen sehen? Glaubst du, du kannst sie dazu bringen, daß sie Lincolns Träume träumt?«
    Ich wählte die Nummer, die Broun mir gegeben hatte, damit ich die Szene durchgab, und ich hörte ein Klicken, und sie ließen mich noch warten. Ich las währenddessen die Szene durch.
    »Sie können jetzt mit der Aufzeichnung beginnen«, sagte eine Frauenstimme, und ich hörte ein Klick und dann ein Freizeichen. Ich wählte erneut, aber die Leitung war besetzt, also stellte ich den Apparat so ein, daß er die Nummer alle zwei Minuten wiederwählte, schloß das Zusatzmikrofon an und sprach die überarbeitete Szene auf den Anrufbeantworter:
    Das Gewehrfeuer der Vorposten ließ mit Einbruch der Dunkelheit nach, und Malachi ging ein kurzes Stück in den Wald zurück und machte ein Kochfeuer.
    »Was gibt’s bei euch Rebs denn zum Abendessen?« rief eine Stimme von der anderen Flußseite herüber.
    »Yankees«, sagte Toby und duckte sich sofort, als fürchtete er, sie könnten nach Gehör auf ihn schießen. Drüben wurde gelacht, dann rief eine andere Stimme: »Kommt einer von euch Rebs [i] zufällig aus Hillsboro?«
    »Yeah, und wir sind unterwegs nach Washington«, rief Toby zurück. Er setzte sein Gewehr ab und stützte sich darauf. »Ich selbst, ich stamme aus Sewell Mountain. Was wollt ihr denn wissen über Hillsboro?«
    Die Stimme jenseits des Flusses rief: »Ich suche nach meinem Bruder. Ben Freeman heißt er. Was von ihm gehört?«
    Toby trat ohne Deckung vor, um etwas Lustiges zu sagen. Ben stand auf und feuerte über den Fluß. Eine schnelle Gewehrsalve antwortete, und Toby warf sich zu Boden, die Hände um sein Gewehr geklammert. Ben ging in den Wald und setzte sich an Malachis Feuer. Malachi sagte nichts, und nach einer Minute sagte Ben: »Ich glaub, es ist nich richtig, hinzugehen und so mit dem Feind zu quatschen.«
    Malachi stocherte im Feuer und hängte eine Kanne darüber, um Kaffee zu kochen. »Wie kommt’s, daß du und dein Bruder auf verschiedenen Seiten kämpft?«
    »Es hat sich so ergeben«, sagte Ben, der die Kanne anstarrte.
    Toby kam zum Feuer und ging davor in die Hocke. »Du und dein Bruder, habt ihr euch wegen ’nem Mädel verkracht?«
    »Wir haben uns nicht verkracht.« Ben langte nach seinem Gewehr und legte es sich quer über den Schoß. »Er hat sich einfach eines Tages gemeldet, und ich wußte, ich mußte auch, und da waren wir auf einmal Feinde.«
    »Also, ich wurde eingezogen«, sagte Toby. »Ich wette, es hatte was mit ’nem Mädel zu tun, daß ihr euch so gemeldet habt.«
    »Wenn du so weitermachst, fängst du dir noch einen Treffer«, sagte Malachi nachsichtig, »so wie du dich als Zielscheibe präsentierst.«
    Ich spulte das Band zurück und wartete. Das Lämpchen für die hergestellte Verbindung leuchtete auf. Ich nahm den Hörer ab und nannte der Lektorin den Fernbedienungscode, damit sie die aufgezeichnete Nachricht aufnehmen konnte, ohne noch einmal wählen zu müssen, und ich wartete wieder, während sie den Recorder auf der anderen Seite der Leitung fertigmachte.
    »Wir sind hier soweit«, sagte sie.
    »Rufen Sie mich wieder an, wenn es nicht klappt«, sagte ich und legte auf.
    Es war halb drei. Es sah aus, als hätte der Schneefall etwas nachgelassen. Richard müßte es eigentlich schaffen, rechtzeitig zu seiner Besprechung zu kommen. Falls er nicht neben dem Telefon hockte, um sicherzugehen, daß ich nicht mit Annie sprach.
    Ich schlug Randalls Präsident Lincoln auf. Vielleicht wußte er, wo Willie begraben wurde. Falls er es wußte, so sagte er es nicht, aber er sagte, woran Willie gestorben war. Man nannte es Gallenfieber, und Gott allein wußte, was das war. Typhus möglicherweise, obwohl diese Krankheit 1862 bereits unter diesem Namen geführt wurde, und es wurde viel Aufhebens um eine Erkältung gemacht, die er sich zugezogen hatte, als er bei schlechtem Wetter auf seinem Pony ausgeritten war, also könnte es sich um einen einfachen Fall von Lungenentzündung gehandelt haben.
    Herauszufinden, woran die Leute vor hundert Jahren gestorben sind, ist beinahe unmöglich. In den von trauernden Verwandten geschriebenen Briefen hieß es, die Tochter oder der Sohn sei an ›Milchfieber‹ oder ›Gehirnfieber‹ oder regelmäßig auch nur ›an Fieber‹ gestorben, und das ist wenigstens etwas. Manchmal starb der Patient einfach, indem er

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