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Lincolns Träume

Lincolns Träume

Titel: Lincolns Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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Heights herunterkamen und sie den Toten wegnahmen. Nach der Schlacht von Fredericksburg.«
    Sie lehnte sich in das Kissen zurück, als hätte ich etwas Tröstendes gesagt. »Erzähl mir alles über die Schlacht.«
    »Nach Antietam zog sich Lee nach Virginia zurück. Die Unionsarmee brauchte endlos lange, bis sie sich ihm zu folgen entschloß, und als sie es tat, geschah es zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die Unionsarmee überquerte den Rappahannock bei Fredericksburg im Dezember und versuchte über das offene Land südwestlich an der Stadt vorbeizumarschieren, doch die Konföderationsarmee hielt noch Marye’s Heights über der Ebene. Sie wies zweifelsfrei nach, daß es unmöglich ist, eine befestigte Höhe vom offenen Gelände aus anzugreifen.«
    »Und nach der Schlacht lagen die verwundeten Soldaten herum und schrien um Hilfe?«
    »Ja. In der Nacht hatte es Frost gegeben.«
    »Und die Konföderierten stahlen ihnen die Kleider«, sagte sie leise. »Und was war mit der Nachricht?«
    »Ein Unionssoldat hatte sich am Vorabend im Dunkeln verlaufen und war in eine Vorpostenkette der Konföderierten gelangt. Er wurde gefangengenommen, und die Befehle, die er mit sich führte, wurden Lee überbracht. In derselben Nacht leuchtete das Nordlicht und färbte den ganzen Himmel rot und grün. Beide Seiten betrachteten das als gutes Omen.«
    Sie saß lange unter der Decke zusammengekauert da. »Wie spät ist es?« fragte sie.
    »Viertel vor zwölf.«
    Sie streckte sich aus. »Wenn es diesmal wieder so wie sonst ist, dann dürfte ich heute nacht keine Träume mehr haben. Nach Mitternacht träume ich im allgemeinen nicht mehr.«
    »War dieser Traum so wie die anderen, Annie?« fragte ich und dachte an das ›Traumgewitter‹, das laut Dr. Stone dem abrupten Absetzen von Sedativa folgte.
    »Nein«, sagte sie. Sie hatte sich auf einen Ellbogen gestützt und lächelte. »Er war leichter. Weil du hier warst, um mir zu sagen, was er bedeutet.« Sie gähnte. »Kann ich morgen lange schlafen?«
    »Natürlich. Am Morgen nach der Schlacht schlafen die Soldaten immer lange«, sagte ich, was eine Lüge war. Am Morgen nach der Schlacht ließ man die Soldaten zur nächsten Schlacht marschieren, und zur nächsten, bis sie die erreicht hatten, in der sie starben.
    Ich setzte mich in den grünen Sessel und hob die Fahnen auf.
    »Du mußt nicht aufbleiben, Jeff«, sagte sie. »Ich werde keine Träume mehr haben. Du kannst dich hinlegen.«
    »Ich dachte nur, ich lese noch das Kapitel fertig, an dem wir gerade waren«, sagte ich. »Mach dir wegen mir keine Sorgen. Schlaf weiter.«
    Sie war beinahe augenblicklich eingeschlafen, aber ich las weiter. Ben und Malachi gelangten aus ihrem Maisfeld in die zweifelhafte Sicherheit des Westwaldes. Hooker eröffnete mit jeder verfügbaren Kanone das Feuer auf ein anderes Maisfeld, und keiner schaffte es, herauszukommen. Bens Bruder und die Überreste von Mansfields Zwölftem Korps bekamen Befehl, den Ostwald zu halten, und eröffneten in dem Rauch und dem Chaos das Feuer auf ihre eigenen Truppen. Als Mansfield sie zu stoppen versuchte, wurde er von einer konföderierten Kugel in die Brust getroffen. Die Wunde war tödlich, aber er brachte es fertig, abzusteigen und sein verwundetes Pferd in Sicherheit zu bringen, ehe er starb.

 
7
     
Drei Pferde wurden D. H. Hill bei Antietam unter dem Sattel weggeschossen. Lee ritt Traveller während der ganzen Schlacht, obwohl es ihm mit seinen bandagierten Händen schwerfiel, die Zügel zu halten. Als General Walker seine übriggebliebenen Männer in der folgenden Nacht durch die Furt nach Virginia hinüberbrachte, saß Lee auf Traveller in der Mitte des Flusses. »Wie viele Divisionen kommen noch?« fragte Lee, und als ihm Walker sagte, das hier wäre die letzte, ausgenommen einige Wagenladungen Verwundete, die gleich hinter ihm kämen, sagte Lee: »Gott sei Dank!« Es kam Walker so vor, als habe er dort schon die ganze Nacht gestanden.
     
    ANNIE HATTE KEINE WEITEREN TRÄUME. Ich döste im grünen Sessel, bis es draußen hell wurde, und legte mich dann ins Bett und schlief bis nach neun. Annie schlief noch immer tief und fest, aber Richard war schon auf. Er hatte bei Broun angerufen und mir eine weitere Nachricht hinterlassen.
    »Ganz offensichtlich projizierst du deine Feindseligkeit auf mich als Autoritätsperson, aber natürlich ist Broun das eigentliche Objekt deines Ärgers. Du überträgst deine eigenen Rachephantasien auf Annies emotionale Krankheit, aber

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