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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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doch davon erholte er sich sehr schnell und
grinste wieder. Es war wie das mutwillige Grinsen eines Chorknaben und paßte
überhaupt nicht zu seinem äußeren Erscheinungsbild. »Natürlich würden Sie
das«, widersprach er. »Sie wollten John heiraten, und er war für Sie ein
Fremder – das weiß ich, weil er es mir gesagt hat, bevor er aufbrach, um
Regenbogen zu jagen. Ünd Sie können mich von jetzt an Will nennen, weil ich
nichts von diesen albernen Ostküstenmanieren halte.«
    Wieder fuhr
Bess auf und spürte, wie das Blut in ihre Wangen schoß, die ganz gewiß alles
andere als sauber waren, obwohl sie sich am Abend zuvor gründlich im Fluß
gewaschen hatte. »Das war etwas anderes«, entgegnete sie kühl. »Ich habe Mr.
Tate kennengelernt und fand ihn rein
äußerlich akzeptabel.« Wieder errötete sie, weil ihr zu spät bewußt geworden
war, wie taktlos ihre Bemerkung klingen mußte.
    Will Tate
zog eine blonde Augenbraue hoch, und sein Grinsen schwankte für einen Moment
ein wenig, doch dann festigte es sich wieder. Er stieß einen tiefen, leidgeprüften
Seufzer aus, schien sich endlich zu erinnern, daß er seinen Hut noch trug,
drinnen und vor allem in Gegenwart einer Dame, und nahm das verbeulte Ding
rasch ab.
    Er hatte
mehr Haare auf dem Kopf als der verrückte Mann, den Bess einmal bei einer
Zirkusschau gesehen hatte. Sie hatte den armen Kerl zutiefst bemitleidet, aber
Mr. Will Tate benötigte ihr Mitleid nicht. Er war groß, einen ganzen Kopf
größer als Bess, und seine Schultern waren so breit, daß er sich wahrscheinlich
zur Seite drehen mußte, um durch eine normale Tür zu kommen. Er schien
ungeheuer stark zu sein, nicht nur körperlich, sondern auch vom Temperament
her, und er strahlte eine Art unkultivierter Hitze aus, die aus dem tiefsten
Inneren seines Seins zu kommen schien.
    »Ich weiß,
daß ich bei weitem nicht so gut aussehe wie mein Bruder«, sagte er und drückte
den schäbigen Hut an seine Brust, die für Bess so aussah, als müsse sie sich
hart wie Granit anfühlen, wenn sie kühn genug gewesen wäre, sie zu berühren.
»Aber ich bin eine gute Partie, Miss Elizabeth. Ich trinke nicht und fluche
nicht mehr als jeder andere Mann, ich bade regelmäßig und gehe sonntags in die
Kirche. Jeder weiß hier, daß ich im Winter sogar das Eis des Onion Creek
aufbreche, um mir Badewasser zu holen, und es bis zu meiner Hütte
hinaufschleppe, um es auf dem Feuer zu erhitzen. Und ich kann Ihnen beim Grab
meiner eigenen Mutter schwören, daß ich Sie niemals schlagen würde.«
    Bess, die
plötzlich eine unverhoffte und gänzlich unerwünschte Wärme in sich aufsteigen
spürte, errötete vor Verlegenheit und wehrte sich mit aller Kraft dagegen. Ihr
Entschluß, John Tate zu heiraten, war schon überstürzt genug gewesen, die
Handlung einer unbedachten, ja verzweifelten Frau, aber dieser Bruder
hier war doch etwas völlig anderes. Er kam ihr wild und unzivilisiert vor, und
außerdem begann sie plötzlich Gefühle zu verspüren und auf Ideen zu kommen, die
entschieden unchristlicher Natur waren.
    Sie trat
einen Schritt zurück und nahm Zuflucht zu selbstgerechter Empörung. »Ich muß
schon sagen, es ist unglaublich dreist von Ihrem Bruder, mich den ganzen weiten
Weg an diesen ... diesen Ort kommen zu lassen, um mich dann einfach
sitzenzulassen!«
    Will
lächelte, und das versetzte Bess von neuem einen Stich, denn dieses Lächeln war
bezaubernd. »Aber er hat Sie doch nicht sitzenlassen, Miss Elizabeth«, wandte
er geduldig ein, als spräche er mit einer erschrockenen Kuh, die bis zum Hals
im Schlamm versunken war. »John wußte sehr gut, daß ich für ihn einspringen würde.
So war es schon immer bei uns beiden.«
    Bess wandte
sich ab und verschränkte die Arme über der Brust, weil ihr die Tränen kamen.
»Hören Sie auf, mich > Miss Elizabeth < zu nennen«, sagte sie ärgerlich.
»Niemand hat mich je anders als Bess genannt.«
    »Bess«,
wiederholte er leise, und selbst das klang irgendwie erotisch, die Art, wie er
ihren Namen murmelte, als kostete er ihn zunächst, um ihn dann langsam und
genießerisch auf der Zunge zergehen zu lassen.
    Bess
versuchte, unauffällig mit dem Handrücken die Tränen abzuwischen, die in ihren
Wimpern glitzerten, aber Will ergriff sanft ihren Ellbogen und drehte sie zu
sich herum.
    »Beruhigen
Sie sich«, sagte er mit einer schroffen Zärtlichkeit, bei der Bess sich gleich
ein wenig sicherer fühlte an diesem fremden, feindseligen Ort. »Es besteht kein
Grund, sich

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