Linda Lael Miller
Außenseitern beeinflussen! Setzt euch mit Mr.
McKutchen zusammen und tragt ihm eure Beschwerden wie vernünftige Menschen vor!
Warum Blutvergießen und Hunger riskieren, wenn es auch anders geht?«
Der Applaus
begann bei Webb Hutcheson, und einige der Männer fielen ein. Die Frauen standen
fast ausnahmslos mit versteinerten Gesichtern da. Sie haßten Bonnie, weil sie
mit ihren Männern tanzte, die Stirn besaß, sich Bürgermeisterin zu nennen und
ihnen zu Bewußtsein brachte, daß Frauen noch kein Wahlrecht besaßen. Was
natürlich im ganzen Land so war, mit Ausnahme des Staates Wyoming, wo die
Frauen inzwischen zur Urne schreiten durften. Allerdings war allen klar, daß
die Männer in Wyoming den Frauen das Wahlrecht nur aus einem einzigen, völlig
egoistischen Grund zugesprochen hatten: um ledige Frauen in ihre Städte, ihre
Küchen und ihre Betten zu locken.
Bonnie
stieg von der Obstkiste und machte sich auf den Weg zu ihrem Laden.
Dort saß
Katie hinter der Theke und las, während ein langaufgeschossener junger Bursche
den Boden fegte.
Bonnie
starrte den Jungen verwundert an, bis sie sich daran erinnerte, daß Eli ihn
geschickt hatte, damit er bei ihr arbeitete. Als ihr jetzt einfiel, daß sie
ihren geschiedenen Mann nie nach dem Grund dafür gefragt hatte, errötete sie
beschämt. »Wie heißt du?«
»Tuttle«,
erwiderte der Junge strahlend. Ohne den ganzen Schmutz sah er gar nicht so
schlecht aus, obwohl er ziemlich mager war. »Tuttle P. O'Banyon, Madam.« Katie
kicherte hinter ihrem Buch.
»Sie haben
einen beeindruckenden Namen, Tuttle«, sagte Bonnie zu seiner Verteidigung, denn
er war noch sehr jung, und sie wußte, wie es war, auf bessere Zeiten zu hoffen,
wenn man in Patch Town lebte. »Hat Mr. McKutchen etwas über deinen Lohn gesagt?
Mein Geschäft läuft nicht besonders gut, wie du vielleicht schon gesehen hast.«
Tuttle
straffte die Schultern und strich über sein rotblondes Haar. »Mr. McKutchen
sagte, ich würde trotzdem für seine Firma arbeiten, deshalb vermute ich, daß er
meinen Lohn bezahlen wird.«
Bonnie
wollte nichts mit Eli McKutchen zu tun haben, nicht einmal indirekt, aber sie
brachte es nicht übers Herz, Tuttle P. O'Banyon fortzuschicken. Er schien sehr
glücklich über seine neue Stellung, und falls er sie verlor, würde er bestimmt
in den bevorstehenden Streik verwickelt. »Na schön«, meinte Bonnie. »Können Sie
Schaufenster putzen, wenn Sie mit Fegen fertig sind? Und du, Katie, kannst mir
bei der Buchführung helfen.«
Webb, der
Bonnie gefolgt war, räusperte sich vernehmlich.
Bonnie
hatte ihn bisher gar nicht bemerkt. Verlegen drehte sie sich zu ihm um. »Webb!
Was ...«
Er lächelte
nachsichtig. »Heute nachmittag habe ich in der Redaktion zu tun, aber ich
dachte, vielleicht würden Sie und Rose mich morgen nachmittag zu einem Picknick
am Fluß begleiten?«
Bonnie
lächelte gequält. Falls sie seine Einladung annahm – was sie sehr gern getan
hätte – bestand die Gefahr, daß er es falsch auffaßte. Sie wußte, daß er ihr
das Haus zeigen wollte, das er auf einem Grundstück am Flußufer baute und von
dem er hoffte, daß sie es eines Tages mit ihm teilen würde. Als seine Frau. Ungeachtet
dieser etwas störenden Tatsache jedoch liebte Bonnie Picknicks, und vielleicht
ergab sich ja eine Gelegenheit dabei, ein ernstes Gespräch mit Webb zu führen und
ihm ihren Standpunkt klarzumachen. »Gern«, stimmte sie freundlich zu.
Das
freudige Aufleuchten in Webbs Augen deprimierte sie. Warum konnte sie nicht
diesen netten Mann lieben und seine Frau werden? Ganz bestimmt würde sie mit
ihm glücklich werden! Und da Mr. Hutcheson als angesehener Bürger galt, war
damit zu rechnen, daß die Damen der Stadt sie nach ihrer Heirat endlich
anerkennen würden. Bonnie biß sich auf die Lippen und schaute Webb nach, als er
den Laden verließ, um zu seiner Redaktion zu gehen. Warum konnte sie nicht
diesen Mann lieben anstatt Eli, der nur Verachtung für sie hatte?
Am späten
Nachmittag dröhnte Bonnie der Kopf von all den Zahlen, mit denen sie sich
herumgeschlagen hatte, und tausend Sorgen bedrängten sie, als sie Rose Marie badete,
fütterte und sie ins Bett brachte. Katie saß wie üblich am Küchentisch und las.
Im Gegensatz zu anderen jungen Mädchen interessierte sie sich jedoch nicht für
Romane oder Poesie, sondern las Abhandlungen über philosophische,
wissenschaftliche, politische und religiöse Themen. Wie sie oft erklärte, war
sie fest entschlossen, > etwas aus sich zu
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