Linda Lael Miller
Bonnie, als sie ihr eine weitere Papierlaterne zum Aufhängen
anreichte. Bonnie befestigte sie an einem Ast und stieg mit einem wehmütigen
Lächeln von der Leiter. Genoa hatte alle ihre Gäste beschäftigt; Susan und
Lizbeth bauten das Kricketspiel auf, während Eli und Seth Gartenmöbel auf dem
Rasen verteilten. »Ich würde mir keine Sorgen machen, Genoa«, sagte Bonnie
beruhigend. »Das Abendrot ist der beste Beweis, daß morgen schönes Wetter
herrschen wird.«
Genoa schaute
mit einer gewissen Skepsis zum blutroten Abendhimmel auf. »Trotzdem, Bonnie ...
Der Fluß führt ganz ungewöhnlich viel Wasser mit, selbst für diese Jahreszeit.«
Der Fluß,
vermutete Bonnie, war die heimliche Sorge aller Bewohner dieser Stadt. Falls
das sonnige Wetter anhielt, den Schnee des letzten Winters in den kanadischen
Bergen schmolz und es zu weiteren starken Regenfällen kam ...
Aber rasch
schüttelte sie das inzwischen schon vertraute Gefühl drohenden Unheils ab. »Laß
uns an etwas Angenehmeres denken«, forderte sie Genoa auf. »Du gibst morgen
eine Party, und ich glaube, sie wird großartig sein.«
Genoa
schien immer noch beunruhigt, obwohl ein Blick in Seth' Richtung ihr ein
zaghaftes Lächeln entlockte. Zu Bonnie jedoch sagte sie: »Ich habe ein ganz
merkwürdiges Gefühl.«
»Wie meinst
du das?« fragte Bonnie, die eine weitere Laterne aufhängte, zerstreut.
Genoa
seufzte. » > Eßt, trinkt und seid fröhlich« < , zitierte sie, » > denn
morgen werden wir alle sterben. < «
Bonnie
hielt mitten in der Bewegung inne und starrte ihre Freundin betroffen an. »Mein
Gott, Genoa, wie kommst du denn auf so etwas? Ist dir nicht gut?«
Doch Genoa
reichte ihr nur stumm eine weitere Laterne an.
Nach
einem ausgedehnten
Dinner ging Bonnie in den ersten Stock hinauf, um Rose Marie zu holen.
Es war ihr
nicht aufgefallen, daß Eli den Salon verlassen hatte, aber als sie das Zimmer
betrat, in dem Rose Marie schlief, stand er vor ihrem Bett und betrachtete
nachdenklich seine Tochter.
»Weck sie
nicht auf«, warnte er, als Bonnie das Kind aufheben wollte.
»Wir müssen
nach Hause«, flüsterte sie.
Eli drehte
sich langsam zu Bonnie um und schaute sie traurig an. »Wo ist das, Bonnie? Wo
genau ist > zu Hause < ?«
Bonnie trat
ans Fenster und schob die Gardine beiseite. Der Fluß war in der Dunkelheit
nicht zu erkennen, aber Bonnie spürte seine Anwesenheit und seinen Zorn.
»Manchmal glaube ich, daß wir in diesem Leben gar kein wirkliches Zuhause
haben«, erwiderte sie seufzend. »Wir schwirren wie Motten in der Welt herum,
aber ich glaube, richtig zu Hause sind wir erst, wenn wir zu Gott zurückgekehrt
sind.«
»Du bist
heute abend aber in sehr nachdenklicher Stimmung«, entgegnete Eli ruhig. »Hast
du irgendein Problem?«
Ich habe
nur Probleme, wollte Bonnie sagen, aber statt dessen wechselte sie das Thema.
»War das nicht dein Zimmer, als du ein kleiner Junge warst?«
Eli schaute
sich um. »Ja. Erinnerst du dich nicht, Bonnie? Wir haben unsere Hochzeitsnacht
in diesem Raum verbracht.«
Und ob
Bonnie sich erinnerte! Sie war noch unberührt gewesen, und Eli hatte sie mit
soviel Zärtlichkeit und Einfühlungsvermögen in die Liebe eingeführt, daß sie
ihre Furcht sehr schnell überwunden hatte. »Du warst sehr lieb zu mir«, sagte
sie leise.
»Ich war
verliebt«, erwiderte er, als erklärte das alles. Und so war es vermutlich auch.
Bonnie
lächelte. »Ich war so erstaunt, daß du mich überhaupt bemerkt hast«, sagte sie
in geistesabwesendem Ton. »Ganz zu schweigen davon, daß du dich in mich
verliebt hast.«
Es schien
nur natürlich, daß Eli zu ihr kam und sanft ihre Oberarme umfaßte. »Dich zu
sehen und dich zu lieben, Bonnie, war eins. Ich bin sicher, daß Webb und
Durrant mir rechtgeben würden.«
Angesichts
ihrer Schwäche im Hinblick auf Eli glaubte Bonnie, eine gewisse gefühlsmäßige
Distanz schaffen zu müssen.
Sonst wäre
es nur allzu leicht gewesen, seinem Zauber zu verfallen. »Ist dir aufgefallen,
wie Genoa Seth ansieht? Ist es nur Wunschdenken von mir, oder ist sie wirklich
in den Mann verliebt?«
Elis Hände
glitten über ihre nackten Arme. »Seth und Genoa standen sich einst sehr nahe«,
sagte er. »Sie waren sogar verlobt.«
Es war kühl
im Zimmer, und dennoch fühlte Bonnie eine fiebrige Hitze in sich aufsteigen,
als Eli nicht aufhörte, ihre Arme zu liebkosen. »Verlobt? Und warum haben sie
nicht geheiratet?«
»Weil mein
Großvater die Verbindung nicht billigte. Er schickte Genoa nach
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