Linda Lael Miller
den Fluß einzudämmen. Und Mr.
Hutchesons Büro wird auch davon betroffen sein.«
Bonnies
Herz begann in ihrer Brust zu hämmern, und die Tasse zitterte in ihrer Hand.
Rasch setzte sie sie auf den Nachttisch, stand auf und trat ans Fenster. Aber
in der Finsternis draußen war nichts zu sehen.
Das Heulen
des Sturms hingegen war unheimlich, er brüllte wie ein Raubtier, und der Regen
trommelte gegen die Fenster und Hauswände, als würden sie aus unzähligen
Gewehrläufen beschossen.
»Sandsäcke
werden den Fluß nicht aufhalten können«, sagte Bonnie zu Katie.
»Aber die
Männer müssen es wenigstens versuchen, oder?« entgegnete Katie geduldig. »Sogar
die Gewerkschafter helfen!«
»Woher
weißt du das alles?« fragte Bonnie mißtrauisch. »Du warst doch nicht etwa am
Fluß?«
»Mr.
Callahan war eben hier. Er hat es mir erzählt.« »Seth? Was wollte er denn?«
Katie
zuckte die Schultern. »Ich nehme an, daß Mr. McKutchen ihn geschickt hat, um
zu sehen, ob bei uns alles in Ordnung ist, obwohl er sich nur nach Rose
erkundigt hat.«
Bonnie
richtete sich auf. Sie konnte sich vorstellen, wie Eli Sandsäcke am Flußufer
stapelte und glaubte ihn, Seth zuschreien zu hören, er solle dafür sorgen, daß
seine Tochter sicher war.
Die Wiege
war nicht im Zimmer, stellte Bonnie plötzlich mit Entsetzen fest. »Rose Marie
...«
»Sie ist in
meinem Zimmer, Madam«, sagte Katie rasch. »Erinnern Sie sich denn nicht, daß
wir ihr Bettchen umgestellt haben, als Miss Genoa uns nach Hause brachte?«
Bonnie
erinnerte sich an nichts dergleichen, was sie als äußerst beunruhigend empfand.
Für einen Moment schlug sie entsetzt die Hände vors Gesicht.
»Lassen Sie
mich eine Weile bei Mr. Hutcheson wachen, Madam«, sagte Katie sanft. »Sie
sollten sich ein wenig hinlegen.«
»Ich möchte
Rose sehen«, verlangte Bonnie und ging in das angrenzende Zimmer, wo sie lange
vor der Wiege ihrer Tochter stehenblieb. Dann fiel ihr Blick auf Katies Bett,
weich und warm, und ohne lange zu überlegen, schlüpfte sie zwischen die Decken.
Als sie
erwachte, war es früher Morgen. Die Nacht war dem Tag gewichen, aber der Regen
war geblieben und schlug mit ungebrochener Kraft gegen die soliden Häuser von
Northridge.
Bonnie
schaute kurz nach Rose Marie und trat ans Fenster. Die ganze Welt war in
dunkles Grau getaucht, kaum zu sehen in dem Wolkenbruch, und auf den Straßen
stand gut ein Meter fünfzig hoch das Wasser.
Von starkem
Schuldbewußtsein erfaßt, erinnerte sich Bonnie plötzlich an Webb und lief, noch
in ihrem Kleid von gestern, ins angrenzende Zimmer.
Webb atmete
ganz ruhig, und Katie schlief in dem Sessel, in dem Bonnie während der Nacht
gewacht hatte. Um das Mädchen nicht zu wecken, nahm sie leise frische Kleider
aus dem Schrank und ging ins Nebenzimmer, um sich umzuziehen. Dann kehrte sie
in ihr eigenes zurück, bürstete ihr hoffnungslos zerzaustes Haar und steckte es
zu einem losen Knoten auf.
»Katie«,
flüsterte sie und schüttelte ihre Freundin sanft. »Katie!«
»Ja,
Madam?« fragte das Mädchen verschlafen.
»Ich
möchte, daß du dich um Rose und Mr. Hutcheson kümmerst, während ich ausgehe.
Ich werde nicht lange bleiben.«
»Ausgehen?«
Katies blaue Augen weiteten sich verblüfft. »Aber Madam, bei diesem Wetter
können Sie doch nicht ...«
»Was ich
nicht kann, ist hier herumzusitzen und auf Nachrichten zu warten«, unterbrach
Bonnie sie brüsk. »Tu, was ich sage.«
Katie warf
einen besorgten Blick aufs Fenster. »Bitte, Madam, tun Sie es nicht!« flehte
sie. »Man kann ertrinken bei einem solchen Unwetter!«
»Du bist
hier sicher, Katie.«
»Um mich
mache ich mir auch keine Sorgen!«
Bonnie
beachtete das Mädchen nicht weiter und ging hinunter, um sich ein Paar
Gummistiefel aus dem Regal zu nehmen. Mindestens zehn Zentimeter Wasser standen
schon auf dem Fußboden, und der Regen drang noch immer durch die Ritzen unter
der Tür ein.
Schaudernd
fragte Bonnie sich, ob Katie und Rose hier wirklich sicher waren, obwohl der
Laden auf einer Anhöhe lag.
Sie legte
ihren Umhang um und setzte die Kapuze auf. Dann, nach einem tiefen Atemzug, der
ihr Mut vermitteln sollte, öffnete sie die Tür und trat in das Unwetter
hinaus.
Der Regen
kam so heftig herunter, daß er Bonnie blendete und sie sich nur vorwärts
bewegen konnte, indem sie sich an den Häuserwänden entlangtastete.
Als sie um
eine Straßenecke bog, stieß sie vor Entsetzen einen schrillen Schrei aus und
hielt sich an einer Straßenlaterne fest. Der
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