Linda Lael Miller
Fluß hatte Patch Town vollkommen
überschwemmt, und nur der oberste Stock des Brass Eagle Saloon war noch zu
sehen. Durch den dichten Regenschleier konnte sie erkennen, daß eine Menge
Leute sich auf das Dach von Forbes' Etablissement gerettet hatten. Webbs
Redaktion und der Bahnhof standen völlig unter Wasser. Der wütende Fluß war
sogar so hoch gestiegen, daß Männer Ruderboote von Earline Kalbs Veranda zu
Wasser ließen.
Innerhalb
weniger Minuten war Bonnie bis auf die Haut durchnäßt, aber sie ging weiter,
denn sie mußte wissen, wer vermißt wurde und wer sich in Sicherheit befand.
Obwohl sie es sich selbst nicht eingestand, wollte sie sich überzeugen, daß Eli
McKutchen bei der zweiten Gruppe war und nicht in der ersten.
Durch den
peitschenden Sturm und Regen schaffte sie es bis zur Veranda von Earlines
Pension. Die Frau war da, würdigte Bonnie jedoch kaum eines Blickes, weil sie
die Leute auf dem Dach des Saloons beobachtete und die Boote, die ihre Retter
trugen. In einem der Boote entdeckte Bonnie Eli, der so schnell er konnte, die
Ruder schwang.
Eine von
Bonnies schlimmsten Befürchtungen hatte sich als unnötig erwiesen. Ihre
Erleichterung darüber war so groß, daß sie sich für einen Moment kraftlos an
die Wand von Earlines Haus lehnte.
»Wie viele
sind verloren?« schrie sie, um über den tobenden Sturm gehört zu werden. Hier,
in der Nähe des Flusses, war der Lärm noch größer.
Earline
drehte sich um, ihr Gesicht halb verborgen unter der weiten Kapuze ihres
leuchtendroten Umhangs. »Nicht so viele, wie wir befürchtet hatten«, rief sie
Bonnie zu. »Die meisten sind hier oder drüben bei Miss Genoa McKutchen.« Eine
winzige Pause, dann: »Wie geht es Webb?«
Bonnie
schämte sich, ihn alleingelassen zu haben, schüttelte das Gefühl jedoch schnell
ab. »Er ist schwer verletzt«, antwortete sie, »aber ich glaube, er kommt
durch.«
»Ist das
Mädchen bei ihm?« fragte Earline streng.
Bonnie
nickte und richtete ihren Blick wieder auf das Boot, das Eli ruderte.
Inzwischen hatte er den Saloon erreicht und stand mit einem Fuß auf seinem Dach
und mit dem anderen im Boot. Forbes war ebenfalls dort und half den anderen
Flüchtlingen in die Boote, bevor er ausglitt und über das schräge Dach in den
tosenden Fluß rutschte.
Bonnie
hielt entsetzt den Atem an, aber da packte Eli Forbes' Hand und zog ihn zu sich
ins Boot.
»Ich dachte
schon, er würde bis Grand Coulee mitgerissen werden«, bemerkte Earline, die
näher an Bonnie herangetreten war.
Bonnie
erwiderte nichts und beobachtete fasziniert, wie die Boote näher und näher
kamen. Der Fluß brauste direkt unter ihren Füßen dahin, nur wenige Zentimeter
unter Earlines Veranda.
Und dann
stieß Earline mit der Schulter ganz unvermittelt gegen die von Bonnies, als die
Frau mithalf, eins der Ruderboote heranzuziehen, und Bonnies Gummistiefel
glitten auf dem nassen Boden aus.
Eine
Sekunde später fühlte sie das eiskalte Flußwasser über ihrem Kopf
zusammenschlagen.
Beim
Auftauchen verlor sie die Stiefel, und es gelang ihr nur, einen einzigen
schrillen Schrei auszustoßen, bevor die aufgewühlten Fluten sie von neuem in
die Tiefe zogen. Beim nächsten Auftauchen spuckte sie Wasser und schrie um
Hilfe, aber dann sah sie einen Baumstamm auf sich zutreiben.
Verzweifelt
streckte sie die Hände danach aus und spürte, wie die rauhe Rinde die Haut an
ihren Armen aufscheuerte; als sie ihn mit aller Kraft umklammerte. Zu
verängstigt, um zu beten, hielt Bonnie sich an dem Stück Holz fest und
blinzelte das Wasser fort, das ihre Augen blendete. Doch der Stamm drehte sich
und wirbelte im Wasser herum, als versuchte er, Bonnie abzuschütteln.
Sie mußte
schon mindestens eine Meile flußabwärts getrieben sein, als auf der anderen
Seite des Stamms ein Kopf auftauchte. Sie stieß einen gellenden Schrei aus,
aber dann kam ihr zu Bewußtsein, daß dieser Kopf zu einem Körper gehören mußte,
denn das Gesicht lächelte sie an.
»Halt dich
fest, Bonnie!« schrie Eli ihr zu, während er mit einem starken Arm den Stamm
umklammerte und mit dem anderen das packte, was er zuerst zu fassen bekam:
Bonnies langes Haar.
Sie hatte gar
nicht gemerkt, daß sie untertauchte, bis Eli ihren Kopf wieder über Wasser riß.
Sie war zu benommen, um Schmerz zu spüren, und der Baumstamm drehte sich wieder
wie wild. Eli zog sie hinauf, bis sie mit dem Bauch auf der rauhen Oberfläche
lag, und dort hielt er sie fest. All das schmutzige Flußwasser, das Bonnie
geschluckt
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