Linda Lael Miller
Knöcheln versank. Sie wollte
gerade eine Verwünschung von sich geben, als Genoas heitere Stimme erklang.
»Eli!
Bonnie! Hier!«
Bonnie war
zutiefst erleichtert, als sie die Kutsche ihrer Freundin unter den wartenden
Wagen erblickte.
Eli nahm
Bonnies Hand und zog sie schmunzelnd aus dem Schlamm. As sie beim nächsten
Schritt wieder darin versank, hob er sie auf die Arme und trug sie zu Genoas
Kutsche.
Bonnie
schämte sich – jetzt hatte die Bevölkerung von Northridge noch einiges mehr zu
klatschen –, aber sie war zu froh, ihre Schwägerin zu sehen, um zu
protestieren. Eli hob sie in die Kutsche, küßte seine Schwester, die vor
Rührung ganz feuchte Augen hatte, und stieg zum Kutscher auf den Bock.
Genoa, die
Bonnie gegenübersaß, klatschte in die Hände. »Du mußt mir alles über euer
großartiges Abenteuer erzählen!« rief sie aufgeregt.
Großartig
war es nicht, wollte Bonnie widersprechen, aber dann dachte sie an die Gefühle,
die sie in Elis Armen empfunden hatte, und schwieg. In gewisser Weise war es
tatsächlich ein wunderbares Erlebnis gewesen. Ruhig erzählte Bonnie, wie sie
auf Earlines Veranda ausgeglitten – sie wollte gar nicht darüber nachdenken,
ob sie wirklich gefallen war oder ob die Frau sie gestoßen hatte – und vom Fluß
mitgerissen worden war. Auch daß Eli sie gerettet hatte, berichtete sie Genoa,
aber sie verschwieg ihr von der Nacht unter dem umgestürzten Pferdewagen.
Statt dessen beließ sie ihre Schwägerin in dem Glauben, daß sie bei den Kinders
übernachtet hatten.
»Ich habe
mich um Katie und Rose gekümmert«, sagte Genoa. »Und Susan Farley hat Webb
gepflegt. Ich hoffte, es stört dich nicht, daß sie bei dir gewohnt hat, Bonnie
– wir konnten ihn nicht bewegen, und es gab so viele, die eine Unterkunft und
Pflege brauchten.«
»Wie viele
sind vermißt, Genoa?« fragte Bonnie leise. »Kennt man die genauen Zahlen
schon?«
»Mein Mr.
Callahan und der Marshal haben Suchaktionen ins Leben gerufen. Sie haben sieben
Leichen gefunden.« Genoa machte eine Pause und senkte den Kopf. »Neun Menschen
werden noch vermißt. Bis Elis Telegramm eintraf, dachten wir, es wären elf
...« Genoa zog ein Taschentuch heraus und tupfte damit über ihre Augen. »Ach,
Bonnie, ich hatte solche Angst! Ich dachte, ihr wärt verloren und die arme Rose
hätte keine Eltern mehr ...«
Bonnie
drückte Genoas Hand. »Es tut mir leid, daß du dich um uns sorgen mußtest.«
Genoa
steckte das Taschentuch wieder ein. »Es ist soviel zu tun, Bonnie ... Soviel.
Northridge liegt in Trümmern.«
»Ist das
Wasser wenigstens zurückgegangen?«
Genoa
seufzte. »Nicht ganz, aber ich glaube, das Schlimmste ist vorbei.«
Als sie am
Bauplatz der neuen Häuser vorbeikamen, lehnte Bonnie sich aus dem Fenster.
Bisher waren nur die äußeren Strukturen zu erkennen, die jedoch erstaunlich
groß wirkten. Überall standen Zelte, und unzählige Arbeiter schwärmten lachend
und schwatzend auf dem Platz herum.
Wie zäh die
Menschen doch sind! dachte Bonnie und fühlte ihren eigenen Mut wachsen. »Woher
haben sie bloß die vielen Zelte?«
Genoa
lächelte. »Unsere guten Nachbarn im Norden, die Kanadier, haben sie geschickt.
Als sie von der Flutkatastrophe hörten, schickten sie Wagen mit Zelten und
Lebensmitteln.«
Die Kutsche
schleppte sich weiter durch den aufgeweichten Boden, und irgendwann tauchten
die ersten Häuser von Northridge auf. Die Stadt lag tatsächlich in Trümmern,
wie Genoa gesagt hatte. Webbs Redaktionsgebäude und Patch Town existierten
nicht mehr, und um Forbes' Saloon und den Bahnhof herum stand das Wasser noch
immer mindestens einen Meter hoch. Von der Fähre und ihrer Anlegestelle war
nichts mehr zu erkennen.
»Forbes ist
am Erdboden zerstört«, bemerkte Genoa mit einem belustigten Augenzwinkern, das
so gar nicht zu ihrer Bemerkung paßte. »Er scheint seine gesamte Kraft zum
Weitermachen jetzt nur noch aus unserer Lizbeth zu beziehen.«
Trotz der
allgemeinen Zerstörung, die Bonnie sehr bedrückte, fand sie den Gedanken, daß
Forbes sich in eine Lehrerin verliebt haben könnte, ausgesprochen amüsant.
»Und wie denkt sie darüber?«
Genoa
zuckte die schmalen Schultern. »Wer weiß? Forbes ist ein gutaussehender Mann.«
»Und ein
Wüstling«, entgegnete Bonnie schmunzelnd.
»Ja, aber
man sagt, Männer dieses Kalibers gäben die besten Ehemänner ab. Vorausgesetzt
natürlich, sie lassen sich bekehren.«
»Das kann
ich mir bei Forbes nicht vorstellen.«
Genoa
lachte. »Ich auch nicht.
Weitere Kostenlose Bücher