Linda Lael Miller
übrig.«
Bonnie war
froh, daß es dunkel war und Eli nicht ihr Erröten sah. Doch einen Moment später
ersetzte Sorge ihre Verlegenheit. »Rose!« sagte sie erschrocken.
Eli legte
tröstend den Arm um ihre Schultern. »Keine Angst, Bonnie. Katie und Genoa
werden sich um sie kümmern.« »Aber sie müssen doch denken, wir wären tot!«
»Dann wird
unsere Rückkehr eine angenehme Überraschung für sie sein!«
Das Huhn
auf dem Feuer verströmte einen ganz köstlichen Duft. Bonnie konnte sich nicht
entsinnen, je so hungrig gewesen zu sein, nicht einmal früher in Patch Town.
»Ja, ich glaube, es ist sinnlos, uns zu sorgen«, sagte sie.
»Richtig.«
Geschickt löste Eli das gegrillte Fleisch vom Spieß und trennte ein großes
Stück für Bonnie ab. »Morgen machen wir uns auf den Heimweg.«
20
Mit
einem langen Blick
auf den umgestürzten Wagen sagte Eli schmunzelnd: »Ich werde diesen Ort
vermissen.«
Bonnie, die
müde, hungrig und schmutzig war, versuchte ihre Hand aus seiner zu befreien.
Doch er hielt sie fest und zog sie mit sich die steile Anhöhe hinter ihrem
Lagerplatz hinauf.
Ein
überwältigendes Schuldbewußtsein erfüllte sie. Rose rief ganz bestimmt nach
ihr, und Genoa und Katie waren sicher schon mit Begräbnisvorbereitungen
beschäftigt. Webb lag schmerzgepeinigt auf seinem Lager oder war vielleicht
längst tot.
Und was
hatte Bonnie derweil getan? Sich rückhaltslos und lustvoll dem Mann hingegeben,
von dem sie sich geschworen hatte, nie wieder etwas mit ihm zu tun haben zu
wollen. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoß, als sie an die erotischen
Stunden mit ihm dachte, die sie auf schamlose Weise ausgekostet hatte.
Endlich
erreichten sie die Hügelkuppe, und Bonnie starrte fassungslos auf den Anblick,
der sich ihr bot. Nur ein Steinwurf von ihnen entfernt stand ein kleines
Bauernhaus!
Unbändige
Wut erfaßte Bonnie, als ihr eine Erkenntnis nach der anderen dämmerte. Eli
hatte von Anfang an über diese Farm Bescheid gewußt. Hier hatte er das Huhn
besorgt und vermutlich auch die Streichhölzer für das Lagerfeuer, während er
Bonnie in dem Glauben belassen hatte, sie seien meilenweit von jeglicher
Zivilisation entfernt. »Du Biest!« zischte sie ihn wütend an, als ein kräftiger
Mann ihnen vom Scheunentor aus zuwinkte.
»Morgen!«
rief der Farmer, und Bonnie sah eine schlanke, grauhaarige Frau aus dem Haus
kommen. »Treten Sie ein und frühstücken Sie mit uns!«
Die
Hausherrin schien nicht sehr begeistert über die Vorstellung, zwei Fremde an
ihrem Tisch zu haben, sagte jedoch nichts.
Kurze Zeit
darauf hatten sie sich gewaschen und saßen zwischen Mr. und Mrs. Ezra Kinder
an deren bescheidenem Tisch. Bonnie war so ausgehungert, daß sie einen großen
Teller mit Schinken, Eiern und Bratkartoffeln leerte.
Mrs.
Kinder, eine unscheinbare Frau mit wimpernlosen Augen und schmalen Lippen ließ
während des Essens ihre Hand auf einer abgegriffenen Bibel liegen, als hoffte
sie damit zu verhindern, daß sich die Sünde in ihrem Haus ausbreitete.
»Das
Letzte, was ich hörte, war, daß der Bahnhof in Northridge vier Meter unter
Wasser steht«, berichtete Ezra kauend.
Eli schien
nicht im mindesten verlegen, obwohl sein Haar zerzaust und seine Kleidung steif
und zerknittert war. Er hätte auch in einem feinen Anzug bei Delmonico speisen
können, so wie er sich verhielt. »Wie weit ist Colville von hier entfernt? Dort
könnten wir vielleicht Pferde mieten.«
Bonnie
verzweifelte bei dem Gedanken, vierzig Meilen auf einem Pferderücken
zurückzulegen. Lieber Himmel, war es denn nicht genug, daß sie beinahe
ertrunken wäre, daß sie gezwungen gewesen war, auf der bloßen Erde zu
übernachten und zudem auch noch verführt zu werden? Mußte sie jetzt auch noch
nach Northridge zurückreiten?
»Colville
liegt nur drei Meilen von hier«, erklärte Ezra. »Ich würde Ihnen ja meinen
Wagen borgen, aber da ich nur den einen besitze, kann ich leider nicht darauf
verzichten.« Er seufzte. »Es muß schlimm aussehen in Northridge. Allerdings
scheint das Wasser allmählich zu sinken. Aber die Straßen werden alle zerstört
sein und viele Häuser sicher auch.«
»Wie sieht
es mit den Telegrafenmasten aus?« fragte Bonnie, die begierig war, Genoa und
Katie mitzuteilen, daß sie und Eli noch am Leben waren.
Ezra maß
sie mit einem solch neugierigen Blick, daß sie mißtrauisch wurde und Eli
anschaute, der es jedoch vermied, sie anzusehen.
»Ich
dachte, Sie wüßten, daß die Leitungen in Ordnung
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