Linda Lael Miller
freiwillig. »Also gut«, knurrte er ergeben, während er das Gewehr in das
Futteral steckte und sich zur Tür wandte. »Aber du mußt dich meinem Tempo
anpassen. Ich denke nicht daran, mich alle fünf Minuten nach dir umzudrehen, um
zu sehen, ob du kommst.«
Nicholas
nickte zustimmend, und tatsächlich gab er sich die größte Mühe, mit seinem
Vater Schritt zu halten, als sie zur Scheune hinübergingen. Das stimmte Gabe
ein bißchen nachgiebiger, und er sattelte einen temperamentvollen Fuchs, den
er Nicholas irgendwann einmal hatte schenken wollen. Er hatte im Laufe der
Jahre selbst einige Pferde verloren und wußte, wie sehr das schmerzte.
Stur wie
der sprichwörtliche Ochse, griff der Junge mit beiden Händen nach dem
Sattelhorn und zog sich mühsam auf das Pferd. Er war blaß vor Schmerz und
schweißüberströmt allein von dieser kleinen Anstrengung, und Gabe mußte sich
sehr zusammen nehmen, um sich nicht anmerken zu lassen, daß er es bemerkt
hatte.
Der
Vorarbeiter, der gehört hatte, daß sie die Pferde sattelten, kam aus der
Arbeiterbaracke, und Gabe befahl ihm, unter allen Umständen für Mrs. McKeiges
Sicherheit zu sorgen. Als er und Nicholas wieder allein waren, schwang er sich
in den Sattel.
»Und jetzt
sag mir, wo wir diesen verrückten Indianer finden.«
Nicholas
deutete mit dem Kopf nach Osten, wo sich die Berge vor dem Nachthimmel erhoben,
und sie machten sich in einem langsamen, aber stetigen Trab in diese Richtung
auf. »Charlie wird eine Spur für uns hinterlassen haben«, sagte Nicholas mit
ruhiger Überzeugung. »Vorausgesetzt natürlich, daß er gefunden werden will.«
Als
Annabel erwachte,
stand die Sonne schon hoch und heiß am Himmel, und Gabriels Seite des Betts war
leer. Er war vermutlich schon vor Stunden aufgestanden, um seiner Arbeit
nachzugehen, aber Annabel sah keinen Grund, sich zu beeilen.
Sie blieb
still liegen, bis die unvermeidliche Übelkeit verflogen war, und als sie sich
endlich wieder besser fühlte, stand sie auf, goß Wasser in die Waschschüssel
und wusch sich gründlich.
Dann zog
sie ein leichtes Kleid und nur einen einzigen Unterrock an, weil es so heiß
war, und errötete ein wenig, als sie die Kleidungsstücke aufhob, die sie am
Abend zuvor verstreut hatte. Dann betrachtete sie nachdenklich die Harfe.
Früher war
sie eine gute Harfenspielerin gewesen; sie hatte es sich mit sehr viel Übung
selbst beigebracht.
Später am Tag vielleicht, wenn sie nach Nicholas gesehen, die Hühner gefüttert
und sich in der Speisekammer umgesehen hatte, würde sie sich an die Harfe
setzen und versuchen, sich einige der Melodien, die sie früher so oft gespielt
hatte, in Erinnerung zu rufen.
Als sie
Nicholas' Tür erreichte, blieb sie stehen und klopfte leise.
Keine
Antwort.
Annabel
klopfte noch einmal, runzelte die Stirn, als wieder keine Antwort kam, und
öffnete die Tür.
Nicholas
war nicht im Zimmer, und sein Bett war ungemacht. Es war auch unerträglich
schwül im Zimmer, und deshalb öffnete Annabel sämtliche Fenster und zog die
Laken ab. Wahrscheinlich hatte er Hunger, dachte sie, und wartete unten darauf,
daß sie das Frühstück für ihn zubereitete. Das war es. In der Küche würde sie
ihn finden.
Entsetzt
verhielt sie ihren Schritt. Um Himmels willen, die Küche! Jeder, der die Wanne
sah, die Wasserpfützen auf dem Boden, die herumstehenden Kessel, konnte gar
nicht anders, als daraus zu schließen ...
Aber auch
die Küche war leer, und sämtliche Spuren von Gabriels Badefreuden waren
beseitigt.
»Nicholas?«
rief Annabel, nachdem sie die Bettlaken auf die Veranda neben den Waschtisch
gelegt hatte.
Er war
nirgendwo zu finden, und Gabriel auch nicht. Sie wollte gerade in der Scheune
nachsehen, als Jeffrey plötzlich um die Ecke kam, gefolgt von ihren Hunden, die
ihre alte Abneigung gegen ihn vergessen zu haben schienen.
»Du siehst
schon etwas besser aus heute morgen«, bemerkte Jeffrey, »obwohl ich leider
sagen muß, daß du immer noch nicht ganz die alte bist.«
Annabel
lächelte. »Ich muß dich um Entschuldigung bitten, Jeffrey«, sagte sie. »Ich
war sehr grob zu dir gestern.«
Jeffrey
tippte sich an die Krempe seines Huts und machte eine angedeutete Verbeugung.
»Schon vergessen, Ma'am.«
Annabel
lachte, und die Hunde, die sich darüber freuten, kamen zu ihr gelaufen und
schnüffelten an ihren Händen. Sie streichelte sie beide und kraulte sie hinter
den langen Ohren.
»Hast du
Nicholas heute morgen schon gesehen?« fragte sie, während sie Jeffrey
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