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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Preis des Verlangens
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den Raum gehen gehört. Er legte eine Hand auf ihre
Schulter und sagte ruhig:
    »Es tut mir
leid. Ich wollte nicht respektlos sein.« Sie schaute zu ihm auf und sah, daß er
es ernst meinte. Wie eigenartig, dachte sie, daß er soviel größer ist als ich,
obwohl ich ihn immer noch als kleinen Jungen vor mir sehe. »Und ich wollte
nicht so streng klingen«, erwiderte sie nach einem leisen Seufzer. »Wenn du in
die Scheune gehst, könntest du dann jemanden bitten, meinen Wagen anzuspannen? Ich
habe in der Stadt zu tun, und wenn das erledigt ist, besuche ich vielleicht
Tante Jessie.«
    Nicholas
trat einen Schritt zurück, und ein mißtrauischer Blick erschien in seinen
Augen. Sie hatte keine Ahnung, was sie gesagt oder getan hatte, um ihm zu
mißfallen, und wenig Hoffnung, daß er es ihr sagen würde.
    »Klar«,
sagte er. »Ich kümmere mich selbst darum und sehe zu, daß ich deinen Kutscher
finde. Das letzte Mal, als ich ihn sah, hatte Pa ihm Arbeitshosen gegeben und
ihn dann losgeschickt, um Löcher für Zaunpfähle zu graben.«
    Annabel
lächelte, als sie sich Mr. Hilditch, der immer ein bißchen hochnäsig gewesen
war, bei einer solchen Arbeit vorstellte. Sie konnte von Glück sagen, wenn er
nicht in die Berge floh, bevor sie bereit war, nach San Francisco aufzubrechen,
von wo sie ein Schiff nach England nehmen würden. »Dann wird er sicher froh
sein, wieder fahren zu können«, bemerkte sie, während sie das Ei und den Toast
auf einen Teller legte und zum Tisch hinüberging.
    Nicholas
betrachtete zweifelnd die Mahlzeit; falls er sich irgendwelchen Illusionen
hingegeben hatte, etwas Gutes zu essen zu bekommen, nun, wo seine Mutter da
war, mußte der Anblick des verbrannten Brotes ihn kuriert haben.
    »Charlie
hätte dir bestimmt gern etwas zu essen gemacht«, sagte er.
    Sie konnte
der Versuchung, ihn ein wenig zu necken, einfach nicht mehr widerstehen. »Ja,
natürlich«, rief sie, als käme ihr gerade eine wichtige Erkenntnis. »Iß du
das ruhig, Nicholas, dann mache ich noch etwas mehr. Du mußt doch
hungrig sein nach so schwerer Arbeit ...«
    Wieder trat
er einen Schritt zurück und schluckte. »Nein, vielen Dank, aber ich habe
wirklich keinen ...«
    Sie
unterbrach ihn lachend. »Nicholas?«
    Das schien
ihn sogar noch mehr zu beunruhigen. »Ja?«
    »Es war nur
ein Scherz.«
    »Oh«,
meinte er.
    In diesem
Augenblick erinnerte er sie so stark an den kleinen Jungen, der er einst
gewesen war, daß sie nicht wußte, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie hätte
ihn gern umarmt, aber das wagte sie noch nicht. Er war höflich, ihr Nicholas,
aber sie machte sich keine Illusionen, daß ihre Schwierigkeiten bereinigt
waren. Er war genauso eigensinnig wie sie selbst und wie sein Vater, und das
bedeutete, daß er ihr ihre vielen Fehler vielleicht nie vergeben würde.
    »Ich liebe
dich«, sagte sie schlicht. »Ich habe dich immer geliebt.«
    Nicholas
wandte den Blick ab, schluckte wieder und setzte dann ein Lächeln auf, das wie
ein Schutzschild war.
    »Ich
kümmere mich um den Wagen«, sagte er rauh und verließ dann fluchtartig den
Raum, so schnell, daß sie Angst hatte, er könne auf der Schwelle stolpern und
kopfüber in den Hof stürzen, wo Charlies Hühner pickten und scharrten.
    Sie stand
in der Tür und schaute Nicholas nach. Die Hennen gackerten und flatterten
aufgeregt mit ihren Flügeln, als er an ihnen vorbeistürmte.
    Wenige
Minuten später erschien Hilditch mit dem Wagen, in alten Leinenhosen und einem
selbstgewebten Hemd, und überglücklich, daß sie ihn von der
demütigenden Aufgabe des Löchergrabens fortgerufen hatte.
    »Der Himmel
segne Sie dafür, Mrs. McKeige«, rief er. »Ich habe Schwielen über Schwielen an
den Händen. Ich schwöre Ihnen, daß ich kaum die Zügel halten kann, so wund
sind meine Hände!«
    Annabel,
die einen Hut und einen Sonnenschirm trug, zeigte wenig Mitgefühl. »Sie haben
in all diesen Jahren ein gutes Gehalt kassiert, Mr. Hilditch, und brauchten
dafür nicht mehr zu tun, als Ihre elegante Uniform zu tragen und ab und zu die
Pferde zu bewegen. Es wird Ihnen guttun, für Ihren Lebensunterhalt zu arbeiten.
Und wenn Sie jetzt bitte absteigen und mir die Zügel übergeben würden ...«
    Mr.
Hilditch schien zutiefst gekränkt. »Sie können mich nicht zu diesem
Sklaventreiber zurückschicken, Madam!« protestierte er empört. »Ich brauche Sie
doch hoffentlich nicht erst daran zu erinnern, daß ich nicht für Gabriel
McKeige arbeite?«
    »Sie werden
auch nicht mehr für mich arbeiten,

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