Linda Lael Miller
führten. Dahinter lag der große Saal.
Dane blieb
im Hof zurück und schaute den Frauen gedankenverloren nach.
Maxen, der
noch immer auf seinem stämmigen walisischen
Wallach saß, bückte sich, um die Zügel von Danes temperamentvollem Streitroß zu
ergreifen. »Ich beneide dich nicht, mein Freund«, bemerkte er dabei. »Es ist
kein ungefährliches Unterfangen, die Ehefrau wegen einer anderen zu verstoßen!«
Stirnrunzelnd
blickte Dane Maxen an, den einzigen Mann auf Erden, dem er bedenkenlos sein
nervöses Pferd anvertraute. »Was weiß ein häßlicher Bursche wie du schon über
das schöne Geschlecht?« entgegnete er mürrisch.
Maxen
zeigte ein gutmütiges Lächeln. »Erfahrung«, erwiderte er und wendete die
Pferde, um sie in den Stall zu bringen. »Ich werde dafür sorgen, daß dein
Hengst gefüttert und getränkt wird. Wenn du später Mitgefühl benötigen solltest
– oder Balsam für deine Kratzer oder Bißwunden –, kannst du mich in der Taverne
finden.«
»Kratzer
oder Bißwunden«, murmelte Dane, während er dem Waliser den Rücken zukehrte und
festen Schritts, aber auch ein wenig beunruhigt, auf die steinernen Eingangsstufen
zuging. Gloriana wird vermutlich froh sein, ihre Freiheit wiederzugewinnen,
dachte er dabei. Sie war jetzt schon zwanzig und damit weit über ihre Blütezeit
hinaus. Frauen in diesem Alter begrüßten oft den Frieden und den Trost des
Klosters, wo sie – frei und unbelastet vor den Forderungen eines Gatten –
lesen, nähen und nachdenken konnten.
Im großen
Saal herrschte Hektik – der Boden war von der Binsenstreu befreit und ausgefegt
worden, überall knieten Diener und schrubbten die uralten Steinplatten, als
müßten sie von irgendwelchen tiefsitzenden Flecken gereinigt werden. Es war
unübersehbar, daß hier Vorbereitungen für ein feierliches Ereignis getroffen
wurden, doch Dane war klar, daß nicht er der Ehrengast sein würde – niemand
wußte von seiner Rückkehr nach Hadleigh Castle, weil er die Entscheidung
heimzukehren sehr schnell und überstürzt getroffen hatte.
Eine junge,
arrogante Stimme klang von der Musikerempore herab und veranlaßte Dane,
innezuhalten und aufzuschauen.
»Unser Held
beehrt uns also endlich wieder mit seiner Gegenwart! Aber sagt – wird er auch
bleiben?«
Die Hände
in die Hüften gestützt, betrachtete Dane den Sprecher, einen Jüngling noch, und
erkannte Edward an der Ähnlichkeit mit seiner verstorbenen Mutter. Er war ein
kleiner Junge gewesen, als Dane ihn zuletzt gesehen hatte, begierig, die
Pflichten eines Ritters zu erlernen, und überall im Weg. Dane ging auf Edwards
erste Bemerkung nicht ein, beantwortete aber dessen Frage. »Ja«, bestätigte er. »Ich werde Kenbrook Hall wieder instandsetzen und dort leben.«
Selbst aus
der Entfernung war das Erröten auf Edwards aristokratischen Zügen nicht zu
übersehen. »Mit deiner Frau.«
»Ja«, sagte
Dane und beschloß, den ärgerlichen Tonfall seines jüngeren Bruders zu
ignorieren. Jungen in diesem Alter waren häufig gereizt und übellaunig.
»Und die
Mätresse, die du vom Kontinent mitgebracht hast? Wo willst du sie unterbringen?«
Danes Miene
blieb unbewegt, obwohl ein jäher, heftiger Zorn in ihm erwachte. Er wollte
verdammt sein, wenn er diesem jungen Burschen, der es wagte, ihn von der Empore
aus mit dreisten Fragen zu bestürmen, seine privaten Angelegenheiten erklärte!
»Geh zum See und schwimm eine Runde, Edward«, empfahl er gelassen. »Vielleicht
kühlt das Wasser deinen Eifer ab.« Dann wandte Kenbrook sich ab und begann auf
die Treppe zuzugehen. Müdigkeit hatte sich in seinen Knochen festgesetzt wie
schmerzhafte Kälte; er brauchte jetzt ein starkes Bier, Essen und eine Stunde
ungestörter Ruhe.
Edward
sagte nichts, aber als Dane den ersten Stock erreichte und auf dem Weg zu
seinen eigenen Gemächern war, erwartete ihn der Junge auf dem Korridor.
Dane
verbarg ein Lächeln. Sein jüngerer Bruder war also nicht nur frech, sondern
auch beharrlich. Letzteres war sicher keine schlechte Eigenschaft. »Was gibt
es?« fragte Dane so liebenswürdig, als hätte nie ein Wortwechsel zwischen
ihnen stattgefunden.
Edward
errötete von neuem, und ein mürrischer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht,
als er sich von der Wand abstieß, an der er gelehnt hatte. Er war ein gutaussehender,
robuster Bursche und würde trotz seines Eigensinns ganz sicher einen guten
Soldaten abgeben. Er schluckte. »Ich werde nicht zulassen, daß du Gloriana auf
diese Weise demütigst. Sie
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