Linda Lael Miller
endlich wieder«, sagte er und schloß seine Finger noch fester um ihre Hand,
als wollte er sie festhalten in seiner Welt.
Eine Nadel,
die mit einem Glasgefäß verbunden war, steckte in
Glorianas Handrücken, doch eigenartigerweise tat es überhaupt nicht weh. »Du
hättest mich dort lassen sollen«, sagte sie müde. Ihre Stimme klang rauh, ihre
Kehle war wie ausgedörrt und schmerzte.
Lyn
schüttelte den Kopf, und für einen kurzen Moment erschien ein unnatürlicher
Glanz in seinen Augen. Dann hob er Glorianas Hand an sein Gesicht, und sie
fühlte seinen rauhen Bart an ihrer Haut. »Ich will nichts anderes, als für
dich zu sorgen«, erwiderte er. »Wirst du mir gestatten, es zu tun?«
Gloriana
wandte das Gesicht ab und ignorierte seine Frage, stellte statt dessen selbst
eine. »Wie hast du mich gefunden?« fragte sie und schloß die Augen. Sie wußte
jetzt, daß Lyn sie liebte, aber wollte es nicht sagen, weil sie ihn nicht
verletzen wollte.
»Der
Museumswärter erinnerte sich an dich«, erwiderte Lyn nach kurzem Schweigen.
»Er erinnerte sich daran, daß ich dich damals fortgebracht hatte, und rief mich
zu Hause an.«
»Bitte,
Lyn«, wisperte sie. »Laß mich in Ruhe – dir selbst und mir zuliebe.«
Lyn machte
keine Versprechungen. Aber er gab auch ihre Hand nicht frei.
Kapitel
14
Später, als Gloriana wieder fähig war,
klar zu denken, bereute sie, was sie getan hatte. Es war mehr als dumm von ihr
gewesen, bei strömendem Regen in den Ruinen von Kenbrook Hall herumzuirren und
sich selbst und ihr ungeborenes Kind in Gefahr zu bringen. In Zukunft mußte sie
vorsichtiger sein und gründlich nachdenken, bevor sie handelte. Ihre impulsive
Natur war schon immer ihr schwacher Punkt gewesen.
Gloriana
hatte gerade beschlossen, aus ihrem Fehler zu lernen und sich in Zukunft
dementsprechend zu verhalten, als Lyn in der Tür ihres Krankenhauszimmers
erschien. Er sah müde aus, seine Kleider waren zerknittert, und er schien sich
nicht einmal rasiert zu haben an diesem Morgen.
»Du bist
schwanger, Gloriana«, sagte er statt einer Begrüßung. Obwohl er nicht ihr
behandelnder Arzt war, gehörte er zum Ärzteteam der Klinik und besaß daher
Zugang zu allen medizinischen Berichten, die er sehen wollte.
Gloriana
erwiderte nichts. Ihr ganzer Körper schmerzte, sie hatte sich eine starke
Erkältung zugezogen, aber sie wußte, daß das in der heutigen Zeit keine
ernsthafte oder gar tödliche Erkrankung war. Marge, die sich rührend um sie
kümmerte, hatte ihr gesagt, daß sie nur zur Beobachtung in diese geschäftige,
sterile Klinik eingeliefert worden war.
Die Ärzte
waren zu dem Schluß gekommen, daß sie nur unter starker Erschöpfung litt.
Nach einer
Weile antwortete sie mit einem schlichten > Ja < auf Lyns Bemerkung. Obwohl
Gloriana niemandem außer Dane gesagt hatte, daß sie schwanger war, handelte es
sich nicht um ein beschämendes Geheimnis. Sie war schließlich nach Recht und
Gesetz mit dem Vater ihres Kindes verheiratet – selbst wenn dieser Mann seit
über siebenhundert Jahren tot war.
»Wie lange
weißt du es schon?« Lyn blieb auf der Schwelle stehen, und obwohl er nicht
unfreundlich war, wirkte er kühl und abweisend.
»Von Anfang
an«, gab Gloriana freimütig zur Antwort – was ihrer Ansicht nach nicht
übertrieben war, weil sie und Dane das Kind in den römischen Bädern unter
Kenbrook Hall gezeugt hatten. Durch irgendeine sonderbare Fügung ihres
Schicksals hatte sie schon in jenem Augenblick den Beginn eines neuen Lebens
in sich gespürt.
»Das
hättest du mir sagen sollen«, entgegnete Lyn verärgert, bevor er endlich
hereinkam und sich einen Stuhl heranzog.
»Großer Gott, Gloriana, eine schwangere Frau braucht eine ruhige Umgebung und
eine Menge Vitamine!«
Gloriana
hatte keine Ahnung, was > Vitamine < waren, fragte jedoch nicht, damit Lyn
nicht zu einer langatmigen Erklärung ansetzte.
Nachdem er
sie eine Weile schweigend betrachtet hatte, fragte er knapp: »Der Vater ...?«
»Dane St.
Gregory, fünfter Baron von Kenbrook, und kein anderer«, antwortete Gloriana mit
leiser, aber entschiedener Stimme. Ihr Kinn war trotzig vorgeschoben, und die
Arme hatte sie über der Brust verschränkt.
»Selbstverständlich«,
meinte Lyn nach einem tiefen Seufzer. »Aber er ist nicht hier, um sich um dich
zu kümmern, unser fünfter Baron von Kenbrook, nicht?«
Danes
Abwesenheit war der zentrale Punkt, um den sich in Glorianas gegenwärtigem
Leben alles drehte, und selbst ihre Seele schmerzte von der
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