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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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Wein und zur Verdauung einen Schlehenschnaps, den meine Eltern mitgebracht hatten. Der Raum war erfüllt von Lachen und guter Laune. Ich saß neben Hannes, der sich sichtlich wohlfühlte. Mir gegenüber saßen meine Eltern, die mittlerweile stark ergraut waren. Der anstrengenden Arbeit auf dem Hof mussten sie Tribut zollen, aber sie schienen bei bester Gesundheit und die wettergegerbten Gesichter strahlten an diesem Tag um die Wette.
    Einen so herzlichen Empfang hatten wir uns gewünscht. Ich war nach Hause zurückgekehrt.
    Es dauerte dann allerdings einige Zeit, bis wir eine eigene Wohnung fanden. Und es wurde genau diese Wohnung in diesem Haus, in der ich nun seit über vierzig Jahren lebe. Ich habe es nie bereut hierher gezogen zu sein. Dieses Viertel hatte schon immer einen gewissen Charme und die Menschen, die in all den Jahren hier lebten und immer noch leben, machen es so liebenswert.
    Nachdem wir uns in unserer neuen Wohnung gut eingelebt hatten, planten wir im Sommer 1965 ein großes Fest bei meinen Eltern auf dem Hof. Wir wollten unseren sich zum zehnten Mal jährenden Hochzeitstag groß feiern. Die eher nüchterne Zeremonie damals in Berlin, ohne meine Familie, hatte mir nie sonderlich zugesagt.
    Ich hatte immer davon geträumt in Weiß zu heiraten. Mein Traum aus meiner Jugend, als ich weiß gekleidet und mit langem Schleier in der Lindenallee auf Friedrich zuschritt, hat mich nie losgelassen. Mir war natürlich klar, dass nach zehn Jahren Ehe, eine Zeremonie in Weiß seltsam erscheinen würde. Aber wenigstens sollte es ein großes Fest werden.
    Ich schrieb Heinz nach Amerika und lud ihn und seine Frau Helen ein. Seitdem er Berlin verlassen hatte, waren wir zwar in Kontakt über Briefe geblieben, aber ich sehnte mich so sehr nach meinem Bruder. Ich wollte ihn bei mir haben. Ich trug das Gefühl in mir meines Zwillings beraubt zu sein, obwohl wir nie gemeinsam im Bauch meiner Mutter gelegen hatten. Mein Bruder war knapp zwei Jahre vor mir auf die Welt gekommen.
    Es blieb lange im Ungewissen, ob er zur Feier erscheinen würde. In meinem Herzen hoffte ich inständig, es würde klappen. Und Heinz setzte einige Hebel in Bewegung, um mir meinen innigsten Wunsch zu erfüllen. Eine Woche vor der Feier rief er bei uns an. Das Telefon, eine segensreiche Erfindung, die wir gerade einen Monat neu besaßen, brachte die erlösende Nachricht.
    „ Ich komme“, rief er ins Telefon so laut, dass ich den Hörer weghalten musste. Er lachte wie ich ihn in Erinnerung hatte: jugendlich und unbeschwert.
    „ Das ist schön, ich freue mich ungemein“, antwortete ich ihm begeistert. Hannes machte neben mir ein Zeichen und tippte sich auf die Brust.
    „ Und Hannes freut sich auch, dich kennenzulernen“, fügte ich hinzu.
    „ Ich bin auch gespannt, welcher Mann es geschafft hat, meine Magarete einzufangen. Ach übrigens, ich komme alleine. Helen möchte unsere Kinder nicht alleine zurücklassen. Ich glaube es ist aber nur eine Ausrede, denn sie hat große Angst vorm Fliegen.“
    „ Oh, das ist schade. Richte liebe Grüße aus, ja?“
    „ Ja, mache ich.“
    „ Wie lange kannst du bleiben?“, fragte ich hoffnungsvoll. Ich wünschte mir viel Zeit mit meinem Bruder. Wir hatten Jahre nachzuholen, in denen wir uns nicht gesehen hatten.
    „ Eine Woche konnte ich rausschlagen!“ Er wirkte glücklich und aufgekratzt. Es war wie früher, als wir spielend durch die Lindenallee tobten. Schnell zu begeistern und durch nichts zu stoppen.
    „ Wunderbar! Dann lass uns jetzt Schluss machen. Ich kann es gar nicht abwarten, dich zu sehen. Komm gut her“, verabschiedete ich mich.
    „ Ja, werde ich. Bis in einer Woche.“ Er legte auf. Gespräche aus den USA waren zu der Zeit sehr teuer, wir fassten uns daher kurz.
    Die darauffolgende Woche wurde für Hannes nicht leicht. Er lernte mich von einer Seite kennen, die ihm neu war. Die Vorbereitungen für unsere Feier waren aufregend und ich fürchte ich rannte mitunter wie ein aufgescheuchtes Huhn umher. Je näher die Feier kam, desto unruhiger und nervöser wurde ich. Am Vortag der Feier stellten wir die Tische und Bänke im Innenhof bei meinen Eltern auf. Ich stand allen nur im Weg oder lief ihnen vor die Füße. Ich war unmöglich! Kurz entschlossen schnappte sich Hannes meine Hand, zog mich energisch zu einem Stuhl und drückte mich sanft, aber bestimmt auf die Sitzfläche.
    „ Du bleibst jetzt hier sitzen, bewegst dich nicht von der Stelle und schaust einfach nur zu.“ Es war nicht als

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