Lindenallee
weiter.
„Na gut, ich verspreche es dir.“ Sie knirschte mit den Zähnen.
„Beim Leben deiner Eltern.“
„Ach, das ist doch jetzt blöd. Reicht kein Blutschwur, so wie in der Kindheit?“
„Paula!“, ermahnte sie Steffen.
„Okay, beim Leben meiner Eltern.“
Zufrieden seufzte Steffen, Paula war kein leichter Brocken.
„Alles was du jetzt erfährst, ist nur für deine Ohren bestimmt. Du wirst weder Magarete, noch Friedrich oder deine Eltern wissen lassen, dass du Bescheid weißt.“
„Ich schwöre.“ Paula hob zwei Finger in die Luft. Steffen ließ sich davon nicht blenden und wartete ungeduldig.
„Ja, beim Leben meiner Eltern.“ Paula verzog das Gesicht. Der Mann war echt hartnäckig.
„Okay.“ Steffen holte tief Luft. „Karl hat mir vorhin alles erzählt. Er war sehr überrascht, dass ich als Hausarzt von Magarete nichts wusste.“
„Magarete?“, flüsterte Paula erschrocken.
„Nein, es geht um Friedrich.“ Beruhigend tätschelte er ihr den Arm. „Friedrich ist krank. Das Herz. Er ist schwer herzkrank.“ Bedrückt musterte er Paula. Er vermutete, die Nachricht würde sie hart treffen.
„Oh nein.“ Sie schwankte bedrohlich und Steffen stützte sie blitzschnell. Langsam glitten beide zu Boden und lehnten sich an den Baumstamm an. Das Holz fühlte sich hart im Rücken an, aber es half Paula, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Steffen hielt ihre Hand fest, streichelte sie sanft und beruhigend, bis Paula sich vom ersten Schock erholt hatte.
„Er sieht gar nicht so krank aus“, versuchte Paula die Wahrheit zu verscheuchen. Dabei war ihr mehrfach aufgefallen, wie schnell er ermüdete und einschlief, manchmal sogar im Sitzen oder in einem Gespräch. Sie wusste, es war wahr. Sie wehrte sich nicht gegen die Wahrheit. Langsam nickte sie verständig mit dem Kopf.
Steffen fasste Mut und sprach weiter. „Karl hat mit seinem Vater geredet, er möge den Anderen doch über seinen Gesundheitszustand Bescheid geben, aber er wehrt vehement ab.“
Paulas Gedanken erschienen ihr glasklar. „Ich verstehe ihn. Er hätte keine Ruhe mehr gehabt. Ständig wäre irgendjemand um sein Wohlergehen besorgt gewesen.“ Paula legte eine Gedankenpause ein. „Und ich wäre bestimmt die Schlimmste gewesen“, erkannte sie im selben Atemzug. „Ich wäre ihm richtig auf den Geist gegangen und hätte ihm vielleicht auch noch die schöne Zeit zu zweit kaputt gemacht.“ Es tat ihr weh, es sich selbst einzugestehen.
„Und ich erst!“ Steffen stupste Paula sanft mit der Schulter an. Sie drehte den Kopf zu ihm. „Ich hätte ihm mit meinem Arztgequatsche den Rest gegeben.“ Aufmunternd setzte er ein Lächeln auf, das maskenhaft erstarrte.
Paula ging nicht darauf ein, etwas anderes beschäftigte sie. „Und wie schlimm ist es jetzt? Ich meine, wie lange hat er noch? Oh Gott, wie sich das anhört.“
„Schwer zu sagen. Tage, Wochen, bestenfalls Monate.“ Steffens Antwort kam ehrlich, ohne einen Versuch zu beschönigen.
„Was!“ Paula fuhr hoch.
Steffen hatte einige Mühe, sie wieder zu sich hinunterzuziehen und zu beruhigen. „Keiner weiß das. Deshalb genießen sie miteinander jeden Tag, den sie haben. Und das ist das Versprechen, das du geben musst, Paula.“ Eindringlich sah er sie an und auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Falten. „Lass bitte weder Magarete noch Friedrich wissen, dass du Bescheid weißt. Lass ihnen die schöne Zeit.“ Beinahe flehentlich sprach er die Worte aus.
„Ja, ich verspreche es, natürlich tue ich es.“ Sie flüsterte nur noch. „Seit wann weiß es Magarete?“
„Friedrich hat es ihr gleich am ersten Tag gesagt.“
„Wie kommt sie damit klar? Sie findet Friedrich wieder und kann ihn jeden Moment verlieren. Das Leben ist so ungerecht.“ Wütend stieß Paula gegen einen Stein, der ein paar Meter weiter wegkullerte.
Steffen erwiderte nichts, denn er verstand, was sie damit meinte. Als Arzt stellte er sich häufig die Frage, warum es den einen mit einer schweren Krankheit traf, und den anderen nicht. Bei Kindern war es immer schwer. Friedrichs Krankheit tat ihm auch sehr leid, aber der Mann war siebenundachtzig Jahre alt, sagte er sich zum Trost. Ein schwacher Trost.
„Warum hast du mir eigentlich den Kaktus geschenkt?“ Paula wechselte unvermittelt das Thema.
„Kaktus?“
„Der zu meiner Einweihungsparty. Sonst hast du deinen Angebeteten immer einen Mordsstrauß an Blumen geschenkt.“ Paula kicherte leise.
„Ich habe mir gedacht, nimm die
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