Lindenallee
schüttelte mit dem Kopf.
„ Wer ist Peter?“, fragte ich.
„ Peter arbeitet auch als Stallknecht auf dem Rittergut. Er ist etwas jünger als ich.“
„Und was ist mit seinem Vater?", fragte Friedrich, während er mit einem Messer an einem Holzstück herumschnitzte. Friedrich war jetzt siebzehn und hatte eine tiefe dunkle Stimme bekommen.
„Peters Vater wurde am Freitag verhaftet!“
Friedrich stockte und sah überrascht auf. „Von wem und warum?"
„Von den Nazis." Heinz wirkte triumphierend. Nicht wegen des Inhaltes der Nachricht, sondern weil er Friedrich eine ungeheure Neuigkeit mitteilte. Die Reaktion von Friedrich fiel allerdings anders aus, als sich Heinz erhofft hatte. Friedrich wurde kreidebleich.
„Was ist denn Friedrich?", fragte ich ihn und berührte seinen Arm. Er sah mich mit erschrockenen Augen an.
„Ich wusste nicht, dass die Nationalsozialisten in kleinen Dörfern wie Lucklum auftauchen", erwiderte er.
„Friedrich, wo lebst du denn? Eigentlich müssten wir alle ins nächste Dorf zur örtlichen Jugendgruppe von denen. Nur unsere Arbeit auf dem Hof stellt uns frei", sagte ich. „Obwohl, komisch, dass du nicht dahin musst, du arbeitest nicht auf einem Hof", überlegte ich laut.
Friedrich sprang auf und herrschte mich laut an. „Mensch Magarete, überlege doch mal, die bringen nichts Gutes, für niemanden, die sind gefährlich." Auf seinem Gesicht war eine Gefühlsregung zu sehen, die ich erst viel später als Angst deuten sollte.
„Bis jetzt habe ich das aber nicht mitbekommen." Ich versuchte mich zu rechtfertigen.
„Du musst die Augen aufmachen, Magarete, aber wahrscheinlich bist du noch zu jung dafür."
Obgleich des ernsten Themas empfand ich das als gemein, was er zu mir sagte. Er sollte mich nicht als kleines Mädchen behandeln, auch wenn ich drei Jahre jünger war. Ich schmollte vor mich hin und stieß die Schuhspitze ins Gras.
Friedrich lief aufgeregt hin und her. „Warum haben sie Peters Vater mitgenommen?"
Heinz verstand nicht, warum Friedrich so einen Aufstand machte. Er hatte nicht weiter darüber nachgedacht oder hinterfragt, bis zu diesem Zeitpunkt.
„ Ich habe gestern etwas im Stall gehört. Das dürft ihr aber nicht weitererzählen, denn ich habe ein Gespräch mit dem Snob und einem Mann in Uniform belauscht.“ Der Snob war der Herr von Wegenstedt, der Gutsherr. Den Spitznamen hatte er von uns bekommen, weil er sich wie ein Snob benahm.
Heinz legte eine Pause ein.
„Nun erzähl schon weiter“, forderte Friedrich ihn ungehalten auf. Er kam dabei Heinz fast drohend näher, der daraufhin einen Schritt zurückwich.
„ Ich konnte nicht alles verstehen, aber ganz sicher ging es darum, dass Peters Vater verraten wurde." Die Stimme von Heinz war leise.
„Was soll den Peters Vater getan haben? Der hat eine Schmiede im nächsten Ort", stellte ich überrascht fest.
„Scht, nicht so laut", raunzte mir Heinz zu. „Es war die Rede von Flugblättern, die bei ihm gefunden wurden. Flugblätter, in denen etwas gegen die Nazis steht."
Friedrich schnappte nach Luft. Er begann erneut unruhig hin und her zu laufen. „Das kann doch nicht wahr sein. Es muss hier einen Spitzel geben. Der muss aus der Gegend kommen und verrät die eigenen Leute." Er war richtig gehend wütend.
„Und wo haben sie ihn mit hingenommen?“, fragte ich Heinz. Der schüttelte unwissend den Kopf.
Fragend sah ich Friedrich an, ob er mehr wüsste.
„Ich weiß auch nichts.“ Traurig blickte er mich an.
„Peter ist Samstag nicht zur Arbeit in den Stall gekommen", schob Heinz vorsichtig nach. Wir alle ahnten, dass es kein gutes Zeichen war.
Schweigend standen wir drei da. Der Wind, der zuvor ein herbstlich warmes Gefühl hinterlassen hatte, fühlte sich auf einmal sehr kalt an und ließ uns frösteln.
Friedrich brach als erster das Schweigen. „Ich muss nach Hause, ich muss es meiner Mutter erzählen."
Bestürzt sah ich Friedrich an. „Mir wird ganz bang ums Herz. Das hört sich an, als ob du mit deiner Mutter morgen nicht mehr da bist."
Ich muss Friedrich sehr erschüttert angesehen haben, denn sein ernstes Gesicht wandelte sich in Bruchteilen von Sekunden in ein mitfühlendes. Er nahm meine Hand und drückte sie fest.
„Mach dir keine Sorgen Magarete, so schnell wirst du mich nicht los. Außerdem braucht Heinz einen passablen Ringkämpfer, der ihm ebenbürtig ist. Oder willst du wieder mit Magarete in den Ring steigen?"
Heinz ging wie immer auf die Stichelei von Friedrich ein und
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