Lindenallee
Luft entgegen. Hier bin ich richtig, frohlockte sie erleichtert.
Gleich neben der Tür befand sich ein hoher, gemauerter Tresen mit Barhockern davor. Die drei Plätze waren frei, sie setzte sich an den äußersten, kramte die Zigaretten heraus und zündete sich eine an. Erleichtert spürte sie, wie das Nikotin ihre Lungen füllte. Ein seltsam beruhigendes Gefühl setzte ein.
In dem Raucherraum war es deutlich ruhiger, als in dem Raum zuvor. Vereinzelt saßen Gäste an den Tischen, die sich entspannt unterhielten.
Die Tür öffnete sich, der Lärm aus dem Nachbarraum drang kurz an ihr Ohr, dann war es wieder ruhig. Die junge Kellnerin stand neben ihr.
„Hallo. Was kann ich dir bringen?"
„Ich weiß noch nicht genau."
„Dann bringe ich dir erst mal die Karte." Die Frau verschwand und tauchte wenig später mit einer Karte auf.
„Ich komme dann gleich noch mal vorbei, okay?"
Paula nickte. Anstatt in die Karte zu sehen, verfolgte sie die Kellnerin mit den Augen. Die junge Frau war vielleicht Mitte zwanzig, die langen schwarzen Haare wehten bei der enormen Schrittgeschwindigkeit, mit der sie die Bestellungen abarbeitete, wie bei einer Fahrt in einem Cabrio. Ein Blick in ihre dunklen Augen und der dunklere Teint ließ Paula darauf schließen, dass es sich vielleicht um eine Türkin handelte. Bewundernd sah sie zu, wie sie ein großes Tablett mit Getränken zu einem Tisch schleppte. Sie stellte das Tablett nicht ab, während sie die vollen Gläser verteilte und im Gegenzug die leeren einsammelte. Das Tablett hielt sie dabei exakt in Waage. Unglaublich.
Paula hatte in jüngeren Jahren gekellnert, aber mit einem Tablett hatte sie eine schlechte Erfahrung gemacht. Es war laut krachend zu Boden gefallen, die Gläser zersprangen, ein riesen Malheur. Seitdem hatte sie solche Jobs eher gemieden. Sie wusste, sie war zu ungeschickt.
Sie verfolgte die Kellnerin mit wachsender Begeisterung, während sie vergaß, sich in der Karte ein Getränk auszusuchen. Ein wenig überrascht sah Paula, wie die Kellnerin auf sie zusteuerte.
„Und? Was möchtest du trinken?"
„Oh, hm, ja. Ich nehme ein Bier. Ein Pils bitte."
„Was zu essen?"
„Nein danke."
Und schon war sie wieder weg. Paula legte die Karte beiseite. Während sie auf ihr Bier wartete, ließ sie ihren Blick über die Gäste des Nichtraucherraums schweifen. An einem Tisch saß eine große Gruppe, vielleicht Studenten, die sich aufgeregt kreuz- und quer über den Tisch unterhielten. An den Fenstern steckten Pärchen die Köpfe zusammen, daneben eine Familie mit zwei Kindern. Die Erwachsenen unterhielten sich, während die Kinder eine Portion Pommes rot-weiß verschlangen.
Die Pommes sahen verlockend aus, fand Paula und bemerkte ihren leicht knurrenden Magen. Immerhin hatte sie seit dem Kuchen vor ein paar Stunden nichts mehr gegessen. Vielleicht später, überlegte sie. Ihr Blick streifte die hinterste Ecke des Raumes der rauchfreien Zone. An einem Tisch saß eine junge, hübsche Frau mit auffallend blonden Haaren. Der Stuhl ihr gegenüber war leer, aber das auf dem Tisch stehende Weizenglas war halbvoll. Ihr Begleiter war vermutlich auf der Toilette. Auf dem Tisch stand ein üppig gebundener Blumenstrauß.
Paulas Bier kam, sie trank einen Schluck. Sie zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch aus. Der Rauch schwebte bis zur Glasscheibe, prallte daran ab und verteilte sich auf seinem absinkenden Weg. Sie beobachtete interessiert, wie sich die weißen Schlieren in ein durchsichtiges Nichts auflösten, ehe sie erneut ihren Blick auf die hinterste Ecke im Nichtraucherraum richtete.
An dem Tisch der blonden Frau war der Begleiter zurückgekehrt. Der große Blumenstrauß verdeckte allerdings die Sicht auf ihn. Neugierig lehnte sich Paula zur Seite, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. Der Mann drückte der Frau gerade sanft die Hand, die vor ihm auf dem Tisch lag. Dann machte die Frau einen Witz und der Mann bog sich lachend nach hinten.
Paula erstarrte und verfolgte ungläubig das Geschehen ein paar Meter weiter entfernt. In ihrem Kopf wirbelten die Gedanken umher. Das konnte doch nicht sein! Natürlich, der Blumenstrauß, das war ein Hinweis gewesen, den sie nicht gleich gedeutet hatte! Es war Dr. Borchert, dem sie beim Blumen kaufen wie ein Detektiv hinterherspioniert hatte.
„Das gibt es doch nicht!"
„Was denn?"
Hinter ihr räumte die junge Kellnerin einen Tisch ab, der frei geworden war.
„Dieser Arzt, dem laufe ich jeden Tag über den Weg. Ich
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