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Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Linksaufsteher: Ein Montagsroman

Titel: Linksaufsteher: Ein Montagsroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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Blechmülleimerdeckel, die mit Schmackes auf den Bürgersteig aufprallen. War ja klar, dass ich sofort wieder an meine letzte Begegnung mit ihr denken muss, wenn ich hier reinkomme. Wenigstens scheucht die Pein, die mir die Erinnerung an unser iKoffer-Gespräch bereitet, ganz locker die letzten Reste Ärger aus meinem Hirn.  
    Mein Freund ruderfrosch sitzt auf seinem Stammplatz. Als er mich sieht, fängt er sofort an zu tippen. Ich winke müde ab, aber das sieht er nicht mehr. Erst als er seine Nachricht fertig getippt hat und ich immer noch keinen Laptop ausgepackt habe, merkt er, das irgendwas nicht stimmt. Er zögert kurz. Ich kann fühlen, wie schwer ihm dieser Entschluss fällt, aber er zieht es durch. Er steht von seinem Platz auf, macht ein paar wackelige Schritte, und, hast du nicht gesehen, steht er auf einmal vor mir.  
    »Ähm, hallo … Du hast bestimmt dein Netzteil vergessen, oder? Schade, wenn du einen Mac hättest, könnte ich dir meins leihen.«  
    »Danke, aber ich hab gar keinen Laptop dabei.«  
    »Ach so … aber … wie … ich meine …?«  
    »Ich treffe mich gleich mit ein paar Leuten.«  
    »Oh, verstehe, RL-Freunde.«  
    »RL?«  
    »Real Life.«  
    Er nickt anerkennend, tippt sich unbeholfen an den Strohhut und verzieht sich wieder auf seinen Sitz. Als Elvin und Adrian kurze Zeit später hereinkommen, habe ich es mir in einem Kuschelkissen aus Scham und Depression bequem gemacht. Normalerweise ist das kein toller Zustand, aber für Treffen mit Elvin und Adrian fast perfekt. Viel besser als fröhliche Offenheit oder gutgelaunter Tatendrang. Deprimiert achtet man nicht so sehr auf ihre Worte.  

    »
In a few words, Oliver, dieser Rüdiger Rodeo, den wir gleich treffen, ist im Moment das Superbrain der Social-Media-Szene schlechthin.
«  

    »
Yay, alles, was der sagt und macht, lesen sofort 100000 User.
«  

    »
Ein Shooting Star, wie er shootender nicht sein kann. Und der Mann hat ein Hirn, da wackeln dir die Ohren, wirst du gleich erleben.
«  

    »
Genau, und, ganz wichtig, wenn er jetzt kommt: Lass – ihn – reden.
«  

    »
Yep. Keine Zwischenfragen, keine cleveren Anmerkungen, einfach nur Nicken und abwechselnd woa , yay , smashing und heyhey sagen, rightpopight?
«  

    »
Und rightpopight kannst du natürlich auch sagen. Kchchch.
«  

    »
Stell dir einfach vor, er ist Gott.
«  

    »
Er kommt. Lächeln, Oliverchen.
«  
    Ja ja … Oh? Der Mann, der gerade durch die Tür getreten ist, sieht auf den ersten Blick genauso aus wie mein Freund ruderfrosch. Strohhut, Brille, lange blonde Haare. Auf den zweiten Blick dann allerdings doch ganz anders als ruderfrosch. Strohhut heil, Haare gewaschen, Brille edel, Körper wohlgenährt, Haut braungebrannt. An der Hand hält er eine attraktive Blondine, die sich aber, nachdem alle im Raum sie gesehen haben, gleich wieder mit einem Kuss verabschiedet, und ein iKoffer zuckelt hinter ihm her wie ein kleines Hündchen. Während er sich auf unseren Tisch zubewegt, tippen die anderen im Raum hektisch Meldungen an ihre Facebook-Pinnwände und machen verstohlen Fotos. Zwei von ihnen bekommen von Rüdiger Rodeo die Hand geschüttelt. Man merkt, dass es sie große Willenskraft kostet, sich nicht sofort vor ihm in den Staub zu werfen. Langsam frage ich mich wirklich, was mit den ganzen Laptop-Rittern hier eigentlich los ist.  
    Als der Strohhut-Edelmann endlich bei uns aufschlägt, schießen Elvin und Adrian von ihren Sitzen hoch. Er erträgt ihr großes Hallo und Schultergeklopfe erstaunlich gelassen.  

    »
Dürfen wir bekannt machen, Rüdiger? Hier sitzt Oliver, the man who.
«  
    »Hallo Oliver.«  
    »Woa.«  
    »Elvin und Adrian haben schon von dir erzählt. Du kommst ursprünglich von der Schauspielerei her?«  
    »Yay.«  
    »Das ist gut, das ist sehr gut. Das Projekt, das ich im Kopf habe, erfordert Leute, die eng mit den analogen Aspekten der Mimenkunst verbunden sind. Antiautistische Authentizität und panreflexive Plausibilität sind dabei konklusivkritische Erfolgsfaktoren. Wir wollen über eine letztendlich fragilvulnerable Präsentation die Kraft des … Alles in Ordnung, Oliver? Hast du Fragen?«  
    Elvin und Adrian rutschen nervös auf ihren Hintern herum. Mist, ich hätte ihn nicht so anstarren sollen.  
    »Heyhey … rightpopight … also … das heißt, nein.«  
    Mist, das glaubt er mir nicht. Er ist ganz anders als Elvin und Adrian. Er schaut mir tief in die Augen. Entweder er kann meine

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