Linksträger: Roman (German Edition)
ein Typ?«
»Er kommt ursprünglich aus Sachsen, was du übrigens auch deutlich hören wirst.«
»Er sächselt?«
Jana nickt. »Und wie. Außerdem hört und sieht er nicht mehr so gut, ist Epileptiker und schon etwas dement. Außerdem besitzt er einen saublöden Hund, einen Cockerspaniel, und ist insgesamt ein etwas gewöhnungsbedürftiger Charakter, aber ansonsten ganz lieb.«
»Dein Opa oder der Cockerspaniel?«
Meine Freundin verdreht die Augen. So ganz ohne Sarkasmus scheine ich doch nicht auszukommen.
»Mein Opa.«
»Gewöhnungsbedürftiger Charakter klingt irgendwie nach durchgeknallt.«
»Nein. Er ist eigentlich ein herzensguter Mensch, aber gegenüber Neuem und Modernem ist er etwas reserviert. Man könnte auch prüde sagen. Schließlich hat er sein halbes Leben für die Partei gearbeitet.«
»Ach, dein Opa war bei der Stasi?«
»Nein, Quatsch. Er ist nur von der SED -Zeit sehr geprägt.«
»Okay, was noch?«
»Dann hätten wir meine Tante. Peggy Gurke. Sie ist wie gesagt die ältere Schwester meiner Mutter und die Mutti von Nora. Ihr Mann hat die Familie schon vor Noras Geburt verlassen, und Tante Peggy hat sie dann allein aufgezogen.«
»Peggy. Okay, auf so einen Namen habe ich nur gewartet.«
Immerhin lächelt Jana jetzt.
»Sie ist eigentlich auch sehr nett. Sie ist mit Opi aus Sachsen nach Thüringen gezogen, wo dann auch meine Mutter geboren wurde. Dann haben wir Tante Gertrud, die alle nur Gerti nennen. Sie ist die jüngste Cousine meines Opas und wohnt alleine im Haus direkt nebenan.«
»Irgendwelche Macken?«
»O ja. Sie ist Ende siebzig und bildet sich gerne die wildesten Sachen ein. Fühlt sich ständig verfolgt, und wenn Honecker nebenan mal etwas lauter ist, vermutet sie gleich, dass die Tollwut in unserer Straße ausgebrochen ist.«
»Honecker?« Jetzt bin ich aber baff. Habe ich da irgendwas verpasst? »Erich Honecker wohnt bei euch in Pfiffelbach? Ich dachte, der ist tot?«
»Ist er auch auch. Ich meine den Hund meines Großvaters. Den Cockerspaniel.«
»Der Köter heißt Honecker?«
»Ja. Wie gesagt, dreißig Jahre bei der Volkarmee haben Opi geprägt.«
»Das klingt so …«
»Warte es einfach ab. Ansonsten gibt es noch ein paar Cousins und Cousinen von der Seite meines Vaters, die ich aber auch schon lange nicht mehr gesehen habe. Die sind alle jünger, so Anfang zwanzig.«
»Und Falcos Familie?«
»Ich kenne nur seine Mutter, Waltraud Schwanz. Er hat noch einen jüngeren Bruder. Silvio. Den kenne ich aber nicht persönlich. Der ist auch einige Jahre jünger als Falco.«
Ich setze den Blinker und fahre von der Autobahn ab. Laut Navigationsgerät sind es noch vierunddreißig Minuten bis Pfiffelbach. Mir kommt es vor, als würde ich in eine andere Welt abbiegen. In ein Land wo, Schwänze und Gurken wachsen. Na, das kann ja heiter werden.
23 Filinchen
N ach einer weiteren halben Stunde und einigen der unvergesslichsten Ortsdurchfahrten meines Lebens führt uns unser Navigationsgerät endlich nach Pfiffelbach in den Holunderweg 21. Hier erwarten uns schon gut drei Dutzend Angehörige der Gurkentruppe. Zwei Dinge erregen besonders meine Aufmerksamkeit: Zum einen erkenne ich in vielen Gesichtern eine große Ähnlichkeit mit Jana, zum anderen verstehe ich nun auch den Grund, warum man Apolda den Titel Glockenstadt verliehen hat. Alle geschlechtsreifen Frauen im Haus verfügen über einen geradezu beängstigenden Brustumfang. Nicht nur Janas attraktive Cousinen, die zwar tatsächlich allesamt erst Anfang zwanzig sind, aber dennoch kleine Kinderherden vor sich hertreiben, verfügen über dieses herausstechende Merkmal, sondern auch die Tanten und sogar manch wohlbeleibter Mann. Vielleicht liegt es ja am thüringischen Grundwasser. Und für einen Moment ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass Jana zwei, drei Jahre mehr in dieser Region gut zu Gesicht gestanden hätten.
Noras Mutter stellt sich mir vor und ist neben mir, dem Cockerspaniel Honecker und Jana die einzige Person im Raum, die mit einer Körbchengröße unter 80 D aufwartet. Anschließend macht mich Peggy mit Falcos Familie und seinen Freunden bekannt. Großer Bahnhof für die Hochzeitsvorbereitungen. Dass Peggys erste Lebensjahre in Sachsen verliefen, hört man überdeutlich. Sie sächselt und setzt es ohne Rücksicht auch gegen die Zivilbevölkerung ein.
»Falgö, hast du denn noch ni dem Röbert die Jüngs vorgestellt? Du hast deenen Gobb wohl och nur zum Hooreschneiden. Sülwiö, komm mo här, isch will dir
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