Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linksträger: Roman (German Edition)

Linksträger: Roman (German Edition)

Titel: Linksträger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Boltz
Vom Netzwerk:
österreichischen Organisten hinüber.
    Hubsi, mach keinen Scheiß jetzt!
    Als Erster steht Hubsis Lebenspartner Emile vor mir in der Schlange. Ausgerechnet er. Als schwuler Muslim hat er sichtlich überhaupt keine Ahnung, was er nun tun soll.
    »Nimm deine Hände hoch«, flüstere ich ihm zu, und sofort streckt er die Arme wie bei einem Banküberfall in die Höhe.
    »Nicht so hoch, du Idiot. Nur so hoch, als würdest du betteln.«
    »Ah, okay«, antwortet Emile und schafft es immerhin, eine einigermaßen katholische Haltung einzunehmen. Ich lege ihm die Oblate in die Hände und murmele: »Der Leib Christi …«
    »Danke«, antwortet Emile trocken und wendet sich ab.
    Es folgt Julia mit ihrer Tochter. Julias Schminke ist vor lauter Lachen mittlerweile bis zu den Mundwinkeln verlaufen. Ich schaue sie so sakral wie möglich an und hebe eine Oblate.
    »Der Leib Christi.«
    »Amen.« Noch während sie die Oblate in den Mund führt, höre ich leise: »Du spinnst.«
    Auch die kleine Frieda schaut fragend zu mir herauf. »Singen wir jetzt auch noch Backe, Backe Kuchen, Onkel Robert?«
    Julia zieht sie zur Seite, streicht ihr übers Haar und sagt: »Das nächste Mal, Süße. Das nächste Mal, wenn Onkel Robert wieder Kirche spielt.«
    Die Reihe lichtet sich langsam. Als Vorletzter steht Falco vor mir. Auch ihn blicke ich mit der gebührenden Ernsthaftigkeit eines Geistlichen an.
    »Der Leib Christi.«
    »Amen.«
    Er verbeugt sich kurz vor dem Kreuz, wendet sich ab und geht zurück in seine Bank, wo er sogleich auf die Knie fällt und betet. Ich fasse es nicht, aber er scheint tatsächlich keinen Verdacht zu schöpfen.
    »Machen Sie, dass Sie hier verschwinden.«
    »Wie bitte?« Mein Blick fällt auf den Letzten in der Reihe. Ein untersetzter Mann, der mich strafend anschaut. Das Gesicht ist mir unbekannt, doch die Stimme klingt vertraut. Es ist die Stimme vom Telefon. Pfarrer Hans-Peter Wickerlein.
    »Ich bitte Sie, Hochwürden. Lassen Sie mich nicht auffliegen. Es geht hier um verdammt viel.«
    »Wenn Sie mich hier auf den Arm nehmen wollen …«
    »Nein, nein, keinesfalls. Auch wenn es sich völlig verrückt anhört, aber es geht um das heilige Sakrament der Ehe.«
    »Sie haben genau drei Minuten.«
    »Danke. Vielen Dank. Das vergesse ich Ihnen nie.«
    Ich gebe Hubsi ein Zeichen, das Ganze abzukürzen. Er versteht mein Handzeichen und spielt die letzten Akkorde von AC/DC in doppeltem Tempo, und ich spurte geradezu in Richtung Sakristei, wo ich meine umgenähte Tischdecke ablege und mich heimlich durch ein Fenster aus der Kirche stehle.
    Als ich auf der anderen Seite ankomme, entdecke ich schon einen Teil meiner Gemeinde. Vor der Kirche warten schon Falco, Nora und Jana darauf, mich in Empfang zu nehmen. Alle anderen haben sich bereits verabschiedet und wechseln wahrscheinlich ihre Unterwäsche, die sie vor lauter Lachen eingenässt haben.
    Falco kommt auf mich zu. »Also, ich muss schon sagen, Robert. Du bist mir ja einer.«
    Ahnt er etwas? Hat der Pfarrer die Sache am Ende doch auffliegen lassen?
    »Wie meinst du das?«
    »Also, Robert, das war … das war, also das war wirklich … der absolute Wahnsinn. Die Menschen hingen dir geradezu an den Lippen. Ich habe sogar eine Mutter gesehen, der vor Rührung die Tränen über das Gesicht liefen.«
    Julia, denke ich.
    »Ja, die habe ich auch gesehen.«
    Falco wischt sich eine Träne von der Wange, und Nora reicht ihm ein Taschentuch.
    »Du berührst Menschen, Robert. Das ist wunderschön. Ich muss schon sagen: großen, großen Respekt. Und dann dieses Gleichnis mit dem Maurer und dem Tischler. Beeindruckend.«
    »Ach, wirklich?«
    »Absolut. Die unterschwellige Botschaft, sich ein Beispiel an den Kindern zu nehmen. Wirklich einzigartig.«
    In diesem Moment tritt Pfarrer Wickerlein aus der Kirche und gibt mir ein Zeichen, dass wir uns endlich verdrücken sollen.
    »Ja, einzigartig«, pflichte ich Falco bei. »Aber lasst uns mal gehen, mein Messdiener dort vorn möchte gerne zuschließen.«

TEIL 3 Im Land, wo Schwänze
und Gurken wachsen

22 Das Paris des Ostens
    U nser Masterplan ist bisher nicht zu Janas vollster Zufriedenheit aufgegangen. Natürlich habe ich ihr von meinen Aktionen im CHAINS , in der Stripbar und von dem gescheiterten Versuch mit den Zauberpilzen berichtet. Die Wächterin des Hormonhaushalts war nicht besonders angetan, ließ jedoch Gnade vor Recht ergehen. Wohl auch aus dem schlechten Gewissen heraus, dass sie mir noch etwas für die Kirchensache schuldet.

Weitere Kostenlose Bücher