Linksträger: Roman (German Edition)
»Nu, bei mir früher ooch.«
Maik sieht sich bestätigt.
»Siehst du, Robert. Und du trägst deinen kleinen Freund eindeutig rechts.«
»Das war nur wegen der Fliehkraft. Ich bin ein Linksträger, ein Führer, ein Bestimmer, ein Löwe … Hier seht doch selbst.«
Ich öffne meinen Gürtel und die Knopfleiste meiner Jeans. Dann stelle ich mich auf den Stuhl, damit ich für alle gut sichtbar bin. Von irgendwoher kann ich noch Janas Stimme vernehmen, die mich davon abhalten möchte, doch ich bin nicht mehr zu bremsen. Hier geht es um Wahrheit. Und schon rutscht meine Hose, und ich präsentiere der versammelten Gesellschaft meine Boxershorts. Erneut setzt Gemurmel ein.
»Hmm, links … das ist ein klarer Linksträger … links, na ja, vielleicht mit einem ganz leichten Knick nach rechts …«
»Na also, habe ich doch gesagt. Glaubt ihr mir jetzt endlich?«
Ganz Apolda und Pfiffelbach nicken.
»Nu, nu … ja … ja.«
Immerhin. Ich ernte Zustimmung, und selbst Silvio nickt und ruft mir zu: »Schade.«
Ich fühle mich bestätigt. Mit ausgebreiteten Armen und heruntergelassener Hose drehe ich mich breitbeinig von einer Seite zur anderen, damit auch der Letzte sich von meiner Heterosexualität überzeugen kann, als plötzlich die Tür aufschwingt und zwei schneebedeckte Polizisten den Saal betreten. Und sie sind nicht allein gekommen. Hinter ihnen dringt eine weitere Person mit hochrotem Gesicht in den Raum: Tante Gerti.
»Da ist er, Herr Wachtmeister. Der Sittenstrolch. Sehen Sie, er tut es schon wieder.«
Und die Polizei sieht tatsächlich mehr als genug. Ein Exhibitionist, der auf dem Standesamt die Hochzeitsgesellschaft mit seinem Geschlechtsteil erfreut.
»Ja, wir sehen es, Frau Gurke. Sie hatten wieder mal recht.«
»Aber das ist nicht alles, Herr Wachtmeister. Er ist auch noch ein Zuhälter, der seine eigene Mutter in die Prostitution zwingt.«
»Was?«, ruft Jana erstaunt.
»Was?«, rufe ich noch erstaunter hinterher.
»Was?«, ruft die versammelte Gesellschaft.
»Was?«, ruft auch wieder Opa Karlo. »Nu räded doch endlisch ma lauder und deudlischer.«
»Das ist er. Der Inzest-Mann. Ich habe ihn belauscht, als er mit seinem Vater telefonierte und ihm Anweisungen gab, wie er seine Mutter zu Sachen zwingen sollte, die ich nicht einmal in den Mund zu nehmen wage.«
Ich hebe die Hand und möchte Tante Gerti endgültig an die Gurgel, als Jana neben mir aufschreit.
»Ich glaub, es geht los.«
»Ja, das finde ich aber auch. Ich glaube, es geht los. Sie spinnen doch, Sie alte Schachtel.«
Jana pumpt neben mir wie ein Maikäfer. »Nein, Robert, es geht wirklich los.«
»Ja, sage ich doch.«
Jana packt mich am Kragen, zieht mich zu sich heran und schreit: »Nein, du Idiot. Die Wehen gehen los.«
»O mein Gott!«, ruft plötzlich auch Nora. Alles dreht sich zu ihr um. »Meine Wehen setzen auch ein. Das gibt’s doch nicht.«
»Die Wehen?«, rufe ich.
»Die Wehen?«, ruft die gesamte Gesellschaft.
»Die Wehen?«, ruft auch Opa Karlo und ergänzt: »Das darf doch nisch wohr seen, doch nisch uff dem schönen Bageddböden hier.«
47 The winner is …
A ufgrund des Wintereinbruchs bleibt uns nichts anderes übrig, als auf ein Verkehrsmittel zurückzugreifen, das eindeutig besser durch den Thüringer Schnee kommt als die eingeschneiten Autos: der Pferdeschlitten.
Auch wenn der Kutscher ganz offensichtlich etwas nervös scheint, ist er einverstanden. Und so schlittern wir mit zwei hochschwangeren Frauen über die weiße Pracht zur örtlichen Klinik. Nach fünfzehn Minuten stoppen die Rösser direkt vor dem Haupteingang des Krankenhauses, wo uns zwei junge Mitarbeiter anstarren, als sei gerade der Nikolaus vorgefahren.
»Wo möchten Sie denn hin?«, fragt mich der kleinere der beiden mit dem Gesicht eines Clearasil-Testgeländes.
»Nach was sieht das aus?« Ich deute auf die zwei Schwangeren. »Nach ’ner Mandeloperation?«
Die beiden Frauen lassen sich unter lautem Stöhnen in zwei Rollstühle nieder, die zum Glück griffbereit im Eingangsbereich der Klinik stehen. Das Ganze hat etwas von einem Castor-Transport. Keiner will uns helfen, und doch müssen wir irgendwo ablagern. Also schiebe ich meine kontaminierte Fracht ins Innere des Schwangeren-Endlagers.
»Entschuldigen Sie«, spreche ich eine Schwester an, die dort gerade Zigarettenpause macht. »Wo geht es hier denn zur Anmeldung?«
»Dort vorn. Den Gang gerade runter und dann links.«
»Danke.«
Die Schwester hält noch einen nicht
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