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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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betten, um mich zu beruhigen, als ein schrilles Piepsen mich mitten in der Bewegung hochschrecken lässt. Der Akku … Ich schaffe es gerade noch, meine Spuren zu verwischen, indem ich die Videoordner schließe und zurück zur Facebook-Startseite wechsle, dann klappe ich den Laptop mit einem Schlag zu. Ohne mich um die womöglich immer noch lauschende Maggie zu kümmern, trage ich den Computer in die Stube und lege ihn auf seinen angestammten Platz auf dem Querbalken zurück. Das schlechte Gewissen darüber, mich an Jules’ Eigentum vergriffen zu haben, schiebe ich zur Seite; wir haben immer noch unsere Handys, wenn etwas passiert und wir Hilfe rufen müssen. Jules wird seinen Job schon nicht verlieren, wenn er nicht erreichbar ist. Er hat Urlaub, man kann nicht von ihm erwarten, dass er tagtäglich parat steht.
    Für einen kurzen, schwachen Moment wird die Versuchung in mir wach, die Handys der anderen verschwinden zu lassen – sie nur wegzupacken, für den Notfall, an einen Ort, wo sie sie nicht finden werden, damit wir noch ein bisschen bleiben können. Morgen wäre der falsche Zeitpunkt abzureisen. Ich spüre das, obwohl das immer lauter werdende Lachen, Poltern und Grölen vom Dachboden mir zeigt, welche Außenseiterposition ich inzwischen eingenommen habe. Früher wäre es mir nicht passiert, die Jungs allein feiern zu lassen, ich wäre dabei gewesen, hätte ein bisschen mitgetrunken und sie hätten sich durch meine Anwesenheit einen Rest von gutem Benehmen bewahrt. Heute wurde ich gar nicht erst danach gefragt, mit nach oben zu kommen. Aber es gibt noch so viele Rätsel zu lösen und vor allem möchte ich mich noch nicht von Falk trennen müssen.
    Was bedeuten die Informationen eigentlich, die ich eben gesammelt habe, Informationen, die die anderen längst kennen? Falk sucht nach Adrenalinkicks. Er schwimmt mit Haien im offenen Meer, ohne Käfig, ohne Schutzausrüstung, riskiert tagtäglich sein Leben. Wie passe ich in dieses Bild vom Abenteurer? Warum befasst er sich mit mir, wenn er unsere Nacht doch vergessen hat? Bin ich etwa seine ganz private Raubtiernummer? Eine Herausforderung in Menschenform?
    Doch als ich mich in mein dunkles, kaltes Zimmer lege und die Augen schließe, Mikes Chill-out-Klänge in den Ohren und den salzigen Nachgeschmack meiner Tränen auf der Zunge, kommen mir diese Überlegungen plötzlich haltlos, ja sogar lächerlich vor und die Fotos ziehen wie ferne Verheißungen an mir vorüber, bis ich es schaffe, im Halbschlaf meinen MP3-Player auszuschalten und in eines hineinzutauchen – das mit dem Wasserfall und dem Teich mitten im Dschungel, an dessen Ufer ausgewaschene hellgraue Steine auf mich warten. Ich schreite ihnen entgegen, bekleidet nur mit einem Bikini, sodass ich die warme Luft überall auf meinem Körper spüre, während Falk kopfüber ins grünblaue Wasser springt und wie ein Fisch hindurchgleitet … Bäuchlings strecke ich mich auf den sonnenheißen Steinen aus, eine wohlige Gänsehaut zwischen meinen Schultern, und koste das süße Wissen aus, mit Falk allein zu sein, wie Adam und Eva in ihrer kleinen, verwunschenen Welt. Es ist unsere Oase. Er muss sich nicht zu mir legen und mich berühren, um mich glücklich zu machen, doch er wird es tun – er wird es tun …
    Er tut es. Ich öffne meine Augen nicht, als seine warme, feuchte Hand meinen Fuß berührt und über meinen Knöchel streicht, ihn kurz umfasst, wieder loslässt, oh, es ist schön, aber es wäre noch schöner, wenn sie sich weniger verschwitzt anfühlen würde, das passt nicht zu Falk, Falk hat keine verschwitzten Hände, wie sollte er auch? Er ist gerade erst aus dem Wasser gestiegen, da ist es doch unmöglich, dass …
    Mein Herz setzt aus und das Blut schießt mir kochend heiß ins Gesicht; dann führt mein Körper seine Arbeit fort, alarmiert und hochkonzentriert. Ich bin so wach, dass es wehtut, mein Pulsschlag schmerzt, mein Bauch verkrampft sich, meine Haut spannt. Ich bin wach! Ich bin wach und fünf warme, feuchte Finger schließen sich um meinen linken Knöchel.
    Ich muss eingeschlafen sein, sonst hätte ich gehört, wie jemand in mein Zimmer gekommen ist. Ein Mensch sitzt auf meinem Bett … ein Mann. Es muss ein Mann sein. Ich öffne meine Augen nicht und verrate mit keiner Regung, dass ich mich in einer kristallklaren Wachheit befinde, wie ich sie selbst vor einem Kampf noch nicht erlebt habe. Mir ist sogar, als könne ich durch meine geschlossenen Lider sehen, und doch fühle ich mich völlig

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