Linna singt
dann mal um Lunas Pfoten. Ich nehm das Zimmer hier, okay?«
Die anderen nicken nur, ihre Blicke nach wie vor fest auf Tobi gerichtet, der uns einige Erklärungen schuldig ist.
»Ja, also, hm«, stottert Tobi. »Duschen gibt es nicht. Aber dafür einen Baderaum und eine Sauna, wir müssen nur den Ofen in Gang bringen und …«
»Ich glaub, wir haben jetzt erst einmal andere Sorgen«, erwidere ich abschätzig. »Wo sind die Vorräte?«
»Dahinten!« Tobi zeigt den Gang entlang auf die Stube. »Die Tür neben dem Herd. Da haben wir alles, was wir brauchen, auch einen kleinen Vorrat Brennholz. Der Rest lagert im Anbau. Ich kann ja schon mal einheizen, dann wird es schön kuschelig warm …«
Ich lasse ihn und die anderen stehen, ich habe genug gehört. Mit einem großen Schritt rückwärts bin ich in meinem Zimmer und gebe der Tür einen sanften Tritt. Doch erst beim zweiten Versuch fällt sie scheppernd ins Schloss. Das Holz muss sich durch die Kälte verzogen haben. Eine eigene Heizung hat dieses Zimmer nicht, aber ein dickes Ofenrohr führt an der Wand entlang; sobald Tobi das Feuer in der Stube entfacht hat, wird es auch hier warm werden.
Mit spitzen Fingern drehe ich an den runden Griffen des gebogenen Wasserhahns. Es gluckert in der Leitung, dann plätschert ein dünner bräunlicher Strahl in das Emailbecken. Das Wasser ist eiskalt. Ich warte, bis es klarer wird, dann halte ich meine Hände erneut darunter und drücke sie gegen meine erhitzte Stirn. Verdammt, ich bin hier nicht sicher. Ich fühle mich gefangen und ausgeliefert. Totaler Kontrollverlust. Es erinnert mich …
Ich muss aus meinen feuchten Sachen raus, wenn ich nicht krank werden will. Eilig ziehe ich mich bis auf Slip und Hemdchen aus und hänge meine Hosen über das Ofenrohr, bevor ich mir frische lange Unterwäsche überstreife und mich zitternd unter dem dicken, schweren Plumeau verkrieche. Nein, stopp, das Wichtigste habe ich vergessen. Ich stehe wieder auf, um das Bild aus meinem Rucksack zu kramen und über meinem Kopf an die Holzbalken zu pinnen, wenigstens ein bisschen zu Hause. Dann schiebe ich mich erneut unter die Daunendecke.
Es dauert mindestens eine halbe Stunde, bis ich meine Zehen wieder spüre und sie bewegen kann, ohne dass sie schmerzen. Ich bin zu müde, um endlich in die bequemere Seitenlage zu wechseln, doch es tut schon gut, auf dem Rücken zu ruhen und an die Decke zu schauen.
»Linna? Darf ich reinkommen?« Bevor ich Nein sagen kann, hat Maggie die Türklinke heruntergedrückt. »Hi.«
Sie stellt sich mitten in mein kleines Zimmerchen und zappelt herum wie eine Erstklässlerin bei einer Rechenaufgabe an der Tafel. Irgendetwas an mir macht sie nervös. Schon immer war das so. Selbst bei unseren Musikfreizeiten hat es Stunden gedauert, bis sie sich in meiner Gegenwart entspannen konnte.
»Wir räumen gerade in der Stube auf. Eigentlich ist es ja nicht viel.« Sie sieht wieder etwas munterer aus, die blassen Schatten um die Nase sind verschwunden. Jetzt ist ihr Gesicht nur noch rot, von der Stirn bis zum Kinn. »Ist doch ganz nett hier, oder?«
Nein, ist es nicht. Doch ich lasse sie in ihrem Glauben.
»Was ist denn das?« Maggie tritt zu mir und beugt sich mit gerunzelten Brauen vor. »Das ist ja widerlich … Warum pinnst du so etwas über dein Bett?«
»Es ist nicht widerlich. Überhaupt nicht. Es ist gerecht.«
Ich setze mich auf und schaue wie Maggie auf die Farbfotografie, die ich eines Morgens aus dem Stern gerissen habe, auf ein Stück Pappe klebte und seitdem mit mir herumtrage. Andere haben ihre Bibel in der Tasche, ich dieses Bild.
»Oh Gott … es bohrt sich durch seinen Hals …«, erkennt Maggie erschauernd.
»Ja, und der Bastard hat überlebt«, entgegne ich grimmig. »Er will schon dieses Jahr wieder antreten. Er hat nichts kapiert.«
Er wird von Neuem mit seiner sinnlosen Quälerei beginnen. Doch in diesen Sekunden – in diesem kurzen, wachen Augenblick – war der Stier stärker. Hat sich gerächt und all seine Wut und seinen Schmerz gebündelt und den unachtsamen Moment des Toreros genutzt, um ihn durch die Luft zu wirbeln, bis sich sein rechtes Horn von unten durch den Hals des Mannes schob und aus dem Kiefer wieder heraustrat. Das Blut muss nur so gesprudelt sein. Der Stier hätte ihn töten sollen. Doch sofort waren Männer in der Arena, die nur Augen für den Torero hatten, nicht für das eigentliche Opfer.
»Du bist echt schräg, Linna.« Maggie reißt ihre Augen von dem Bild los und
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