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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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mich einzumischen, um dich zu verteidigen. Aber das wollen Jungs in diesem Alter ja nicht, oder?«
    »Egal. Der Idiot interessiert mich nich’ mehr und die Schule auch nicht. Hab auch ohne Abitur meine Träume verwirklichen können.«
    Falk, das ist keine Antwort auf meine Frage! Was redest du da nur? Ich bin ganz nah bei dir gewesen, hab ich gesagt, und du sprichst vom Abitur und von deinen Träumen – welche Träume eigentlich?
    »Was macht dein Hals? Wir gehen rodeln, kommst du mit?«
    Ich schüttele den Kopf, während es in meinen Ohren tost und mein Magen sich kurz zu drehen scheint, als habe ich mich erschreckt. Sprechen kann ich nicht mehr.
    »Okay, dann bis heute Abend!«
    Er wartet meine Reaktion gar nicht mehr ab, aber es ist auch egal, ich habe sowieso keine Idee, wie ich auf solch eine Abfuhr reagieren soll. Er erinnert sich und doch erinnert er sich nicht. Was bezweckt er mit diesem Spiel? Ich habe nicht um den heißen Brei herumgeredet, wie andere Frauen es gerne tun und dann daran verzweifeln, dass der Mann ihre Anspielungen nicht kapiert. Es liegt nicht in der Natur des Mannes, Anspielungen zu kapieren. Ich habe ihm direkt gesagt, dass seine Gefühle meine waren, dass ich ihn verstanden habe. Dass ich ihn mochte. Rührt das gar nichts in ihm?
    Habe ich mich etwa auch in dem wenigen, was ich über Falk zu wissen glaubte, geirrt? Er wirkte auf mich nie wie ein Mensch, der mit anderen spielt, und erst recht nicht wie jemand, der falsch ist oder gar hinterhältig. Doch jetzt kommt mir die gestrige Szene vom Abendessen wieder in den Sinn. Er hat Maggie ins Bockshorn gejagt, und wie er das getan hat …
    Jeder von uns zog Maggie irgendwann mal mit ihrem Vegetarierwahn auf. Sogar Simon hat ihr auf einer unserer Musikfreizeiten eines Abends feierlich eine Scheibe Salami in den Tee gelegt. Aber das gestern war mehr als ein pubertärer Lausbubenstreich und es war ihm ganz offensichtlich ein Vergnügen. Eine neue Seite an ihm, die ich noch nicht kannte.
    Ich warte ein paar Minuten, bis ich mir sicher bin, niemandem zu begegnen, wenn ich nach unten gehe, und verziehe mich lautlos auf mein Zimmer, wo es immer noch nicht warm geworden ist. Doch die Sonne scheint nicht mehr auf mein Bett, und als ich das Fenster öffne und die Läden von außen heranziehe, wird es sogar dämmrig – so dämmrig, dass ich versuchen könnte zu schlafen. Maggie wird das Gleiche tun. Sobald nur noch das leise Knacken des Feuers in den Ofenrohren zu hören ist, schäle ich mich wieder aus dem Bett, um mir einen Joghurt und zwei Scheiben Pumpernickel aus der Speisekammer zu holen, damit ich nicht mit leerem Magen einschlafen muss.
    Es ist wie zu Hause, wenn ich den Tag nutze, um die Nacht zu vergessen: Sobald ich die Augen schließe und Mikes Klänge in meinen Ohren habe, drifte ich in eine andere, weichere Welt ab; die Musik lindert und zugleich zerrt sie an mir, weil ich in ihr fühle, welcher Schmerz in Mike wütete, als er sie schrieb. Unsere Seelen ähneln sich.
    Ganz langsam nähert sich der Schlaf, zögernd und fragend, bis die Musik mich vollkommen in sich aufnimmt und all das, was mich dunkel umgibt, nicht mehr existiert.

SECRETS
    Die Tubular Bells sind längst verklungen, als ich mich endgültig aus meinem Dämmerschlaf befreie. Gähnend trete ich ans Fenster, öffne es, stoße schwungvoll die Läden auf und werde mit einem Anblick belohnt, den man sonst nur auf Postkarten findet. Alpenglühen in seiner ausgefeiltesten Dramatik. Die Sonne muss gerade untergegangen sein. Ihr schwindendes Licht taucht die Berggipfel in ein grelles Pink und überzieht den Schnee auf den Tannenspitzen mit einem etwas sanfteren, aber immer noch betörend intensiven Rosa. Selbst die kitschigste meiner zahlreichen Einhorn-Szenen war nicht so rosarot, wie die Natur es hier zeichnet, und es wirkt nicht süßlich oder überzuckert, sondern in seiner fulminanten Wucht beinahe abweisend. Der Himmel ist nicht mehr so klar wie heute Morgen. Ihn überzieht ein durchlässiges Netz aus bizarr anmutenden Wolkengeflechten, Zirrostratus, wenn mich nicht alles täuscht. Böse Vorboten.
    Am eindrucksvollsten aber finde ich die drei nackten Männer, die mit den Rücken zu mir wie die Orgelpfeifen im Schnee stehen und dampfen; links Falk, in der Mitte Jules und rechts außen Tobi, dessen Hüften einen kleinen Schwimmring tragen, entweder noch Babyspeck oder erste Anzeichen seines späteren Übergewichts. Ich tippe bedauernd auf Letzteres. Auch Falks Hüften könnten

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