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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Komik Simons Worte bergen. Doch auch ich weiß nicht, ob ich lachen oder mit Tobi schimpfen soll. In seiner Frage steckte vermutlich mehr Ernst, als die anderen denken, und sie knüpft nahtlos an das an, was ich früher bei diesen Spielchen gerne gefragt wurde.
    »Denk dir bitte eine andere Frage aus«, fordere ich ihn sachlich auf, was sein Erröten nur noch verstärkt. Trotzdem macht er nicht den Eindruck, als wolle er in Grund und Boden versinken oder gar von hier verschwinden. Er findet dieses Spiel nach wie vor hochspannend.
    »Okay … andere Frage … hmmm … wie viele Männer hattest du schon?«
    »Könntest du ›haben‹ definieren? Was meinst du damit – Beziehungen oder im Bett?«
    Es bringt ihn sichtlich in Verlegenheit, dass ich seine Neugierde so unverblümt konkretisiere. Simon stöhnt leise auf, doch die Blicke der anderen hängen an mir. Auch Maggie ist wie elektrisiert. Tobi wartet einen Augenblick ab, wahrscheinlich rechnet er damit, dass Simon Einwände erhebt. Tut er aber nicht.
    »Im Bett.«
    »Fünf«, antworte ich prompt.
    Maggie lacht auf, ein schrilles Geräusch, das in meinen Ohren schmerzt. »Niemals«, flüstert sie. »Niemals …«
    Ihr Tonfall … dieser Spott und diese Sicherheit, dass es nicht stimmt, was ich sage, dass ich lüge … Mein Herz stolpert und fängt sich wieder, um seinen Rhythmus zu beschleunigen, gehetzt und unregelmäßig, als sei ich auf der Flucht.
    »Fünf! Fünf?«, wiederholt sie meine Antwort, als ich nichts sage. »Komm, Linna, das glaubt dir doch niemand! Glaubt ihr das etwa?« Herausfordernd blickt Maggie die Jungs an. »Nie und nimmer hatte Linna nur fünf Männer. Erzähl keine Märchen!«
    »Ich erzähle keine Märchen. Wie kommst du denn zu der Annahme, es seien mehr?«
    »Ach, Linna, bitte! Jeder weiß doch, wie du drauf bist! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen, wie du damals ständig …«
    »Damals war ich noch Jungfrau.«
    Hier geht es um die Wahrheit, also sage ich die Wahrheit. Und verrate mein bestgehütetes Geheimnis. Nicht einmal ihr habe ich das gesagt, ich wollte nicht. Aber dieses Spiel hier soll anders laufen. Ich möchte die Fäden in der Hand behalten.
    Maggie japst auf. Ihr Mund ist immer noch zu einem Lachen verzerrt, doch ihre Pupillen haben einen kalten Glanz bekommen. Mein Blick verschwimmt, als ich sie ansehe. Ein anderes Gesicht schiebt sich über ihre Züge, andere Augen, ein anderer Mund, ein anderes höhnisches Lachen, doch die abweisende Kälte ist dieselbe. »Ja, sicher, Jungfrau! Ich hab gesehen, wie du die Typen abgeschleppt hast, ich war dabei …«
    »Ja, ehrlich? Ich kann mich gar nicht daran erinnern. Warst du bis zum Schluss dabei? Bist du dir sicher?«
    »Natürlich nicht bis zum Schluss, aber … aber …« Sie streicht sich eine Locke aus ihrer Stirn, die feucht zu glänzen beginnt. »Worauf hätte dein Schlampengehabe denn sonst hinauslaufen sollen?«
    »Stopp jetzt!« Simon schlägt mit der flachen Hand auf den Boden. »Solche Wörter will ich hier nicht hören.«
    Maggie schüttelt entgeistert den Kopf. »Ihr glaubt ihr doch wohl nicht, oder? Glaubt ihr Linna etwa?«
    Jetzt rast mein Herz. Mir ist so heiß geworden, dass sogar meine Hände zu schwitzen beginnen. Warum glaubst du mir nicht?, höre ich meine eigene Stimme in meinem Kopf, heiser und belegt vom vielen Weinen und Schreien. Bitte glaub mir doch …
    Jules spielt abwesend mit einer Nuss. »Keine Ahnung … Kommt mir auch ein bisschen wenig vor, nur fünf. Weiß nicht.«
    »Ich kann’s nicht einschätzen«, meint Tobi entspannt. »Ich hab sie ja jetzt erst kennengelernt. Also, so richtig.«
    »Du glaubst, mich zu kennen? Ist ja niedlich. Ich hatte fünf Männer im Bett und war mit zwanzig noch Jungfrau. Basta. Das ist die Wahrheit.« Mir ist so schlecht, dass selbst der bloße Anblick der Nussschalen die Galle meine Kehle hinaufsteigen lässt. Krampfhaft schlucke ich.
    »Wie kann man nur so lügen!?« Maggie schiebt sich auf die Knie, um sich größer zu machen. »Du hast doch schon in der fünften Klasse angefangen, die Jungs abzuknutschen. Du hattest einen Freund! In der fünften!«
    »Geküsst habe ich ihn nur bei diesen bescheuerten Knutschspielen. Unsere Freundschaft war platonisch.«
    »Du hast bei ihm übernachtet!« Sie will nicht lockerlassen. Warum tut sie das? Warum weigert sie sich, mir zu glauben? Warum will sie lieber, dass ich ein schlechtes Mädchen bin als ein gutes? »Das muss man sich mal vorstellen, mit elf Jahren einen Freund,

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