Liona Lix - Wer braucht schon Schnee im Sommer
Plätze!“
Und wie der Wind – oder anders gesagt: So, wie endlose Male geprobt – huschen und springen alle hastig los, um die verabredeten Plätze einzunehmen. Erst danach streicht sich Oktavia noch einmal über ihre langen Haare, zupft ihr Kleid gerade und öffnet mit einem strahlenden Lächeln die Haustür.
Herr Schmidt im Hause Lix
„Oh, guten Abend Herr Schmidt!“, begrüßt Oktavia Mangoldina Lix den späten Gast. „Kommen Sie doch herein! Wir essen gerade.“
„Ach, du je! Bitte entschuldigen Sie! Ich wollte nicht stören“, versichert Herr Schmidt sofort.
„Aber das tun Sie nicht!“, versichert Oktavia noch heftiger. „Lionas Klassenlehrer ist uns immer willkommen!“
„Dämliches Menschengebrabbel“, raunzt Kater Kalle leise auf dem roten Kissen in der Küche. (Auf genau solch einem Kissen, auf denen normale Katzen gerne liegen.)
„Natürlich will der Kerl uns stören“, zischt er weiter. „Sonst hätte er ja wohl nicht um diese Uhrzeit geklopft. Bloß weil so ein Stinknormalo-Lehrer kommt, muss ich meinen Teller im Kühlschrank verstecken und sofort auf einem Kissen liegen. Wie eine furznormale Stubenkatze. Und darf von jetzt an nur noch miauen. FAUCH!“
Gott sei Dank hört Herr Schmidt, als er jetzt die Küche betritt, nur noch den allerletzten Teil von Kalles Gemuffel. Das „FAUCH!“ nämlich.
„Oh!“, macht Herr Schmidt erschrocken.
„Der tut nichts“, versichert Liona eilig. „Der hat nur … äh … Asthma.“
(Asthma ist gut. Das hatte mal eine Frau, die Mama Oktavia dann mit einem Gesundungszauber geheilt hat. Wenn man Asthma hat, kann man gar nicht mehr gut atmen und röchelt manchmal nur noch.
Trotzdem wirft Liona Kalle einen warnenden Blick zu.
„Fauch!“, wiederholt Kalle stur.
Allerdings etwas leiser. Und auch ein klein wenig röchelnder. (Liona zuliebe.)
Liona sitzt, wie jedes normale Kind, brav und ordentlich am Tisch. Vor sich einen Teller lecker duftender Knoblauch-Spaghetti.
Gegenüber von ihr sitzt Archibald. Nett und harmlos lächelnd. Er lässt die Gabel sinken und erhebt sich, um den Gast zu begrüßen. „Guten Tag! Ich bin Archibald Kelte. Ich bin ein Freund von Lionas Mutter.“
Am Kopfende des Tisches steht der Teller von Oktavia, in der Mitte liegt ein in Packpapier eingewickeltes Päckchen. Und die Tür zum Putzschränkchen unter der Spüle steht einen winzigen Spalt offen. Das liegt daran, dass der Schrank vor zwei Minuten – holterdipolter – ein bisschen überfüllt wurde und sich nun nicht mehr ganz schließen lässt. (Das sollte Herr Schmidt aber besser nicht wissen. Und der offene Spalt fällt auch kaum auf.)
„Nehmen Sie doch Platz!“, bietet Oktavia dem Lehrer den Stuhl ihr gegenüber an.
„Ups!“ Hastig wischt sie vor ihm ein paar Spaghettireste von der Tischplatte.
„Nanu, wie kommen die denn da hin?“, murmelt sie dabei, als könne sie sich das gar nicht erklären.
Liona nudelt eifrig auf ihrem Teller herum und versucht, möglichst harmlos auszusehen.
Von Kater Kalles Kissen hört man ein verächtliches Schnauben. Kalle könnte Herrn Schmidt nämlich sagen, wieso ausgerechnet dieser Teil des Tisches mit Spaghettiübersät ist. Weil Drachen nämlich – besonders, wenn sie noch klein sind – äußerst schlechte Essmanieren haben. KALLES eigener Platz ist garantiert schleckzungenrein!
„Was führt Sie zu uns?“, fragt Oktavia freundlich.
„Ja, also“, beginnt Herr Schmidt und lächelt in die Runde, „ich komme wegen unserer Theateraufführung für die Schulfeier.“
„Theateraufführung?“, wiederholt Oktavia erstaunt. „Was für eine schöne Idee! Warum hast du denn gar nichts erzählt, Lionalu?“
„Och“, macht Liona, „das wollte ich euch gerade beim Essen erzählen.“
„Dann bist du wahrscheinlich auch noch nicht dazu gekommen, zu erwähnen“, meint Herr Schmidt, „dass die ganze restliche Woche über schulfrei ist und dass wir deswegen jeden Vormittag proben können?“
„Schulfrei! Bloß wegen einer Theateraufführung!“, lächelt Oktavia. „Na, das nenne ich Glück!“
Herr Schmidt schüttelt den Kopf und sieht für einen Moment etwas besorgt aus. „Nein, nein, das kommt durch den Schnee. Sie haben doch sicher davon gehört, dass es heute Morgen auf dem Hexenhügel geschneit hat?“
Oktavia nickt eifrig. „Oh ja! Interessant, nicht?“
Herr Schmidt wiegt seinen Kopf hin und her. „Nun ja. Es ist schon etwas … ähm … ungewöhnlich.“
„Unbedingt!“, stimmt ihm
Weitere Kostenlose Bücher