Lions - Hitze der Nacht
Wölfinnen waren nie hübsch anzusehen. Einen Tag nach dem Streit waren Ronnie und Sissy Mae mit ihren Rucksäcken und zusammen fünfhundert Dollar nach Europa aufgebrochen. Dank Sissys ständigem Drang, in Bewegung zu bleiben, hatte Ronnie eine Menge von der Welt gesehen. England, Frankreich, Deutschland, Italien … Als sie mit den Ländern, in denen romanische Sprachen gesprochen werden, durch waren, reisten sie weiter nach Asien und Afrika. Egal wohin. Wo auch immer zwei Wölfinnen in Schwierigkeiten geraten konnten – sie waren da.
Dann war Ronnie Lee vor sechs Monaten neben einem deutschen Wolf aufgewacht, dessen Vornamen sie kannte – und nicht viel mehr. »Wie oft«, hatte sie sich an jenem Morgen unter der Dusche gefragt, »wie oft kann man so aufwachen?« Da hatte sie beschlossen, dass sie es nicht mehr tun würde. Sie würde nicht mehr mit Fremden aufwachen. Sie würde nicht mehr in Kneipenschlägereien geraten. Sie würde nicht mehr wahllos andere Meutenmitglieder herausfordern und ihre Dominanz in Frage stellen. Sie würde keinen Streit mehr suchen.
Vor drei Wochen war Ronnie Lee dreißig geworden, und es sah aus, als liefe alles gut. Eine Weile hatte sie sogar einen festen Freund gehabt. Das hatte aber nur einen Monat gehalten. Sie hatte den armen Beta nach Hause mitgebracht, und ihr Daddy und ihre Brüder hatten ihm die Seele aus dem Leib geprügelt. Er hatte noch nicht einmal etwas falsch gemacht, ihr Daddy hatte ihn einfach nicht gemocht. Es war nicht überraschend, dass der Betawolf nach diesem besonderen Familienabendessen nie wieder auf ihre Anrufe reagierte. Also hatte sie ein paar Tage später beschlossen, den Männern für eine Weile abzuschwören. Sie hatte Spielzeuge, und sie war eine Frau, die keine Scheu hatte, ihre Finger zu benutzen. Ehrlich, wozu brauchte man männliche Wesen schon, außer zum Vögeln und zur Fortpflanzung? Und mit der Fortpflanzung würde sie warten, bis sie die Kurve gekriegt hatte.
Leider hieß Shaw zu küssen in ihre alten Muster zurückzufallen. Noch schlimmer: Der Kater hatte ein Rudel, um das sie sich Sorgen machen musste. Geparde, Leoparden, sogar Tiger waren meistens Einzelgänger. Doch Rudelfrauen entwickelten wirklich einen Beschützerinstinkt, was ihre Alphamännchen anging.
Andererseits – was war das für ein Beschützerinstinkt, wenn sie nicht einmal im Krankenhaus aufgetaucht waren? Mace hatte ihr gesagt, dass Shaw wohl dabei war, sich aus dem Rudel zu lösen, wenn sie sich nicht die Mühe machten, nach ihm zu sehen. Anscheinend hatte er zwei gesunde Junge mit zwei Frauen der Llewellyns, und das war so ziemlich alles, was sie von ihm wollten oder brauchten.
»Nett«, murmelte sie laut; Shaw tat ihr leid.
Sie verbrachte ein paar Augenblicke damit, sich in seinem Unglück zu suhlen – anscheinend war ihr eigenes nicht genug –, als sie seinen extrem heißen Atem in ihrem Nacken spürte. Ronnie Lee richtete sich auf und wandte langsam den Kopf. Er hatte sich wieder in einen Löwen verwandelt. Es verblüffte sie, wie oft sich ein Körper verwandeln konnte, wenn er Fieber hatte. Sie hatte aufgehört zu zählen, wie oft Shaw es getan hatte. Eine Schande, dass sie es nicht kontrollieren konnte. Vielleicht würde sie dann nicht eine der größten Katzen der Welt anstarren wie ein dickes Steak.
Das hatte sie davon, dass sie in der Küche ihrer Tante herumsaß und sich selbst bemitleidete. Sie hatte den großen Kerl nicht einmal in den plötzlich sehr winzigen Raum kommen hören.
»Warum bist du nicht im Bett? Ärgerst du mich absichtlich?«
Er sah sie lange an, dann kam seine riesige Zunge aus seinem Maul und schlabberte ihr vom Kinn bis zur Stirn übers Gesicht.
»Oh, verdammt!« Sie wischte sich angewidert das Gesicht ab. »Tu das nicht!«
Shaw kam einen Schritt näher und rieb den Kopf unter ihrem Kinn, und seine dichte, braungoldene Mähne reichte ihr bis zur Nase.
Sie versuchte, ihn wegzuschieben, konnte aber mit dem ganzen verfluchten Katzenfell im Gesicht nichts sehen. »Bett! Geh zurück ins Bett!«
»Komm mit.«
Erschrocken machte Ronnie Lee die Augen auf und stellte fest, dass Shaw sich schon wieder verwandelt hatte. Jetzt kniete er nackt und verdammt umwerfend vor ihr.
Ronnie hätte nie gedacht, dass sie auf diese goldenen Typen stand. Sie waren perfekt gebräunt ohne diese ganzen problematischen Hautkrebssorgen. Kein Gramm Fett an seinem Körper. Sein Gesicht … perfekt. Sogar mit den ganzen Blutergüssen und noch nicht verheilten
Weitere Kostenlose Bücher