Lions - Leichte Beute (German Edition)
Sie befühlte seine Stirn, wie sie es in den letzten drei verdammten Tagen immer wieder getan hatte.
»Bin ich in Ordnung, Mom?«
»Sei nicht so besserwisserisch.«
»Yup. Du klingst sogar wie meine Mutter.« Mitch stieß einen Seufzer aus. »Ich mache mir Sorgen um sie. Um meine Mutter.«
»Ihr geht es gut. Und sie weiß, dass es dir gut geht.«
»Ja?«
»Ja. Ich habe meine Tante Janette angerufen und sie meine andere Tante, eine von Daddys Schwestern – er hat sechs – in Alabama; die hat meinen Onkel in North Carolina angerufen – einen der Brüder meiner Mutter –, der wiederum …«
»Hör auf. Bitte. Ich flehe dich an.«
»Ich wollte nur …«
»Ich weiß. Und ich weiß es zu schätzen. Ich liebe dich dafür. Aber … hör auf zu reden.«
»Na schön. Wie du meinst.« Sissy ging zum Herd. »Was willst du trinken? Milch, Saft oder süßen Tee?«
»Tee.«
Sissy nickte, während sie eine Portion Makkaroni mit Käse auf einen Teller schaufelte und vor Mitch hinstellte. Aus dem Kühlschrank holte sie den Salat, den sie vorbereitet hatte, und einen Krug Tee. Als sie sich umdrehte, starrte Mitch immer noch auf den Teller Essen, den sie vor ihn hingestellt hatte.
Inzwischen wirkte er weniger besorgt um seine Mutter als vielmehr schlicht angewidert.
»Gibt es ein Problem?«
»Da ist Schinken drin.«
»Ja, und?«
»Ich hasse Schinken in Makkaroni mit Käse.«
»Du hast es noch nicht einmal probiert.«
»Ich muss es nicht probieren, um zu wissen, dass ich es nicht mag.«
Sissy verdrehte die Augen. »Magst du Schinken?«
»Ja.«
»Magst du Makkaroni mit Käse?«
»Ja.«
»Was ist dann das Problem?«
»Ich mag es nicht zusammengemischt.« Er starrte auf seinen Teller wie ein Fünfjähriger auf ein Fass Broccoli.
Sissy kam zum Tisch und knallte die Salatschüssel und den Teekrug darauf.
»Nimm einen Bissen!«
»Ich will nicht.«
»Mitchell Shaw, du nimmst sofort einen Bissen! Wenn du es nicht magst, okay. Aber du wirst es verdammt noch mal vorher probieren!«
Deutlich verstimmt nahm Mitch seine Gabel in die Hand und stocherte ein bisschen in seinem Essen.
»Mitchell. Shaw.«
»Okay, okay.« Den Mund angeekelt verzogen, schob Mitch eine Gabel voll Essen in den Mund. Er begann zu kauen, und sie schaute ihm dabei zu. Sie wartete. Und wie so oft wurde sie nicht enttäuscht.
»Wow«, sagte er, nachdem er geschluckt hatte. »Das ist … das ist …«
»Richtig gut?«
»Unglaublich.«
Sie grinste. »Ich weiß. Das sind die besten Makkaroni mit Käse – mit oder ohne Schinken –, die du je haben wirst. Also genieße sie, denn ich koche nicht oft. Und jetzt iss.«
Und das tat er auch.
Sissy sah Mitch dabei zu, wie er sich die Makkaroni – auch die, die sie im Ofen gelassen hatte –, den Salat und den Krug gesüßten Tee vornahm, als hätte er seit Jahren nichts gegessen.
Dann schaute er stirnrunzelnd die leeren Schüsseln und Teller an und fragte: »Gibt’s noch was?«
Sissy blinzelte. »Noch was?«
»Ich bin immer noch ein bisschen hungrig.«
»Ist das normal bei dir?«
»Nein, nein.« Mitch kratzte den geschmolzenen Käse aus der Auflaufform und warf ihn sich in den Mund. »Ich habe früher viel mehr gegessen, bis mich der Stress eingeholt hat. Aber du wirst schon sehen. Wenn ich erst meinen Appetit wiederhabe.«
Sissy überschlug das Geld, das alle ihr gegeben hatten, bevor sie gegangen war, und die paar Dollar, die sie selbst im Portemonnaie hatte.
Je nachdem, wie lange sie blieben, würde sie vielleicht irgendwann auf die altmodische Art an ihr Essen kommen müssen … indem sie es jagte und riss.
Travis knallte die Motorhaube des zwanzig Jahre alten Fords zu, den sein Cousin am Abend vorbeigebracht hatte, und sah den wie immer völlig durchgedrehten Jackie an. Wäre er kein Blutsverwandter gewesen – Travis hätte ihn aus Prinzip verprügelt. Aber er gehörte zur Familie, und Travis konnte es sich nicht leisten, dass seine Schwäche die anderen schwach aussehen ließ. Also ertrug er Jackie und ließ ihn Dinge tun, die er und Donnie nicht tun wollten. Zum Beispiel schickte er ihn los, um herauszufinden, was Sissy im Schilde führte. Schon bevor er ihn dorthin geschickt hatte, wusste er, was passieren würde.
Manchmal war er so ein Mistkerl.
»Sissy hat dir also wieder mal die Seele aus dem Leib geprügelt – schon wieder. Und was soll ich da machen?«
»Hat sie nicht.«
Das stimmte. Es war sein jüngerer Bruder Sammy gewesen. Neben Bobby Ray und ihrem Daddy war
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