Lippels Traum (German Edition)
traurig: »Dort habe ich gewohnt!«
Asslam sprang vom Pferd, so stiegen auch Lippel und Hamide ab. Die Pferde begannen zu weiden, sie machten sich über die Grasbüschel zwischen den Steinen her.
Asslam schaute sich suchend um. Schließlich fand er eine sandige Stelle zwischen den Felsen und winkte die beiden anderen zu sich. Mit dem Finger schrieb er in den Sand:
» PFERDE ZURÜCKLASSEN! MAN ERKENNT UNS SONST .«
»Zu Fuß in die Stadt gehen?«, sagte Lippel unglücklich. »Das ist aber ganz schön weit.« Die Füße taten ihm noch weh von dem heißen Sand.
Asslam nickte und wischte die beiden ersten Wörter wieder aus, um Platz zu schaffen für die nächste Botschaft:
» MACHT ES WIE ICH! MAN ERKENNT UNS SONST «, war nun zu lesen. Lippel und Hamide schauten ihn fragend an.
Asslam zog sein weißes Hemd aus, rieb es über einen rauen Felsen, bis es ganz verschlissen aussah, und riss dann noch einige Nähte auf. Darauf holte er feuchte Erde aus einem halb vertrockneten Wasserloch und schmierte es damit ein, bis es ganz schmutzig und unansehnlich war. Ja, er strich sich den Schmutz auch noch in die Haare und ins Gesicht.
»Sollen wir das wirklich auch tun?«, fragte Lippel unschlüssig.
Hamide machte es wie ihr Bruder. »Verstehst du nicht?«, fragte sie und fuhr sich mit schmutzigen Händen über Gesicht und Hals. »Wir sehen viel zu vornehm aus. Vornehme Kinder starrt man an. Über schmutzige Kinder schaut man hinweg. Du wirst auffallen in deinem seltsamen Gewand!«
Asslam nickte grinsend, fasste mit seinen schmutzigen Händen nach Lippels Schlafanzug und begann den Ärmel abzureißen.
»Was wird Frau Jakob dazu sagen? Sie schimpft bestimmt!«, protestierte Lippel und versuchte seinen Arm zurückzuziehen.
»Aber Philipp!«, sagte Asslam. Oder war es Hamide?
»Lass mich!«, rief Lippel.
»Aber Philipp! Ich muss dich doch wecken. Du kommst sonst zu spät zur Schule!«
Frau Jakob rüttelte an Lippels Arm.
»Philipp, jetzt musst du aber endlich aufwachen!«
»Ach, Sie sind es!«, sagte Lippel schlaftrunken und setzte sich in seinem Bett auf. »Sie wollen meinen Arm abreißen.«
Frau Jakob lachte.
»Niemand will deinen Arm abreißen. Ich will dich wecken! Bist du nun endlich wach? Steh jetzt auf und geh ins Bad! Ich mache inzwischen das Frühstück, hörst du?«
»Ja, ja«, sagte Lippel und stieg aus dem Bett.
Noch ein bisschen schlaftrunken wankte er ins Bad und duschte sich. Davon wurde er endlich wach.
Dann zog er sich schnell an und ging hinunter in die Küche.
Mittwoch
Muck
Diesmal hatte Frau Jakob an den Sammelpunkt gedacht.
Als Lippel zum Frühstück kam, lag der Deckel von Frau Jakobs Jogurt sauber gewaschen neben Lippels Frühstücksteller. »Danke für den Punkt!«, sagte Lippel und setzte sich an seinen Platz. (Den Deckel schob er in seine Hosentasche.)
»Isst du heute Morgen wieder nur Jogurt?«, fragte Frau Jakob. »Ja«, antwortete er. »Genau wie Sie!«
»Aber dein Pausenbrot wirst du heute essen!«, sagte Frau Jakob. »Vergiss nicht, es aus dem Kühlschrank zu nehmen!«
»Ja, ja«, sagte Lippel. »Wissen Sie, wovon ich heute Nacht geträumt habe?«, fragte er dann.
»Wie soll ich das wissen?!«
»Von einem Hund«, erzählte Lippel. »Von einem treuen, braunen Hund!«
»Gut, dass es nur ein Traum war!«, sagte Frau Jakob.
»Wieso?«, fragte Lippel erstaunt.
»Hunde können die schlimmsten Krankheiten übertragen«, erklärte sie ihm eifrig. »Tollwut, zum Beispiel. Außerdem haben sie oft Flöhe!«
»Das haben sie nie!«, sagte Lippel. »Außerdem sind das dann Hundeflöhe, keine Menschenflöhe.«
»Siehst du: Hundeflöhe! Da haben wir es. Eklig! Aber wir brauchen uns gar nicht darüber zu streiten. Träume sind Schäume!«
Und weil Lippel auch keine Lust hatte, sich mit ihr über geträumte Hunde zu streiten, aß er seinen Jogurt, holte dann das Pausenbrot vom Vortag aus dem Kühlschrank und machte sich auf den Schulweg.
Gerade als er aus der Friedrich-Rückert-Straße in die Herderstraße einbiegen wollte, blieb er wie angewurzelt stehen und starrte zur anderen Straßenseite: Drüben, vor einem Gartenzaun, saß Muck, der Hund aus seinem Traum!
Lippel überquerte die Straße.
Der Hund stand auf, als Lippel sich ihm näherte, wedelte mit dem Schwanz und kam ihm entgegengelaufen. Er beschnupperte Lippels Hand und schaute erwartungsvoll zu ihm auf.
Kein Zweifel, es war Muck! Er hatte die gleichen hellen Augen und den dunklen Fleck auf der Brust. Oder war es der
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