Lippels Traum (German Edition)
herrenlose Hund, den Frau Jeschke gestern gefüttert hatte? Der hatte ja auch so einen dunklen Fleck auf der Brust gehabt! »Hallo, Muck!«, sagte Lippel.
Der Hund wedelte heftig mit dem Schwanz.
»Ich nenne dich einfach Muck, ganz egal, welcher Hund du nun bist«, sagte Lippel. »Komm, Muck, komm mit!«
Der Hund ging brav hinter ihm her.
»Sitz, Muck! Sitz!« Und wirklich: Der Hund setzte sich und schaute ihn aufmerksam an.
Lippel stellte seine Büchertasche ab und öffnete sie.
Der Hund steckte neugierig seine Schnauze zwischen Lippels Schulbücher.
»Geh weg da!«, sagte Lippel lachend und schob Mucks Kopf zur Seite. »Du weißt wohl, was ich dir geben will?«
Er holte das Pausenbrot aus der Seitentasche des Ranzens, wickelte es aus der Serviette, brach ein kleines Stückchen ab und hielt es Muck hin. Der fraß es behutsam aus Lippels Hand.
»Es ist ein bisschen kalt vom Kühlschrank«, entschuldigte sich Lippel. Aber Muck winselte und zeigte an, dass er noch eine ganze Menge solcher kalter Brotstückchen erwartete.
So verfütterte Lippel Stückchen um Stückchen sein Pausenbrot an Muck. Danach spielte er noch ein bisschen mit ihm, befahl »Sitz!« und »Komm!« – bis er sich schließlich mit einem jähen Schreck daran erinnerte, dass er ja eigentlich auf dem Weg zur Schule war und schon längst dort sein sollte.
Er setzte sich in Trab und rannte den Rest des Weges.
Muck hielt dies für ein schönes, neues Spiel, lief mal voraus, mal hinterher und versuchte nach Lippels Schulranzen zu schnappen. Aber nicht böse, nur spielerisch.
Schließlich kam Lippel schwer atmend bei der Schule an. Der Unterricht hatte bereits angefangen. Kein anderer Schüler war zu sehen, alle saßen schon in ihren Klassenzimmern! Es war gar nicht einfach, dem Hund beizubringen, dass er nicht mit in die Schule gehen konnte. Er wollte sich mit Lippel zusammen durch die Schultür zwängen. Lippel redete ihm gut zu, streichelte ihn noch einmal, schob ihn mit aller Kraft von der Tür weg und schloss sie schnell hinter sich. Er war drinnen und Muck war draußen, das war gut! Weniger gut war, dass die große Uhr im Flur schon auf acht Uhr elf stand. Und der Unterricht fing um acht Uhr an!
Bedrückt schlich er den Flur entlang.
Aber da fiel ihm ein, dass ja heute Mittwoch war. Gleich fühlte er sich wieder besser und lief zum Klassenzimmer. In den ersten beiden Stunden hatten sie nämlich Zeichnen bei Herrn Göltenpott. (Eigentlich hieß es ja »Kunsterziehung«, aber selbst Frau Klobe sagte immer »Zeichenunterricht«.) Und wenn man bei Herrn Göltenpott zu spät kam, war das lange nicht so schlimm wie bei Frau Klobe, die meistens eine Entschuldigung haben wollte.
Eine Zeichenstunde
Herr Göltenpott steckte noch hinter seiner Zeitung. Für ihn hatte die Stunde noch nicht angefangen, denn Elvira teilte noch die Zeichenblöcke aus. So versuchte Lippel sich einfach an Herrn Göltenpott vorbei zu seinem Platz zu schleichen.
Herr Göltenpott hätte auch nichts gemerkt, wenn Elvira nicht mit dem Austeilen aufgehört und gerufen hätte: »Herr Göltenpott, der Pilipp kommt zu spät!«
Herr Göltenpott ließ die Zeitung sinken, nahm seinen Kaugummi aus dem Mund, wickelte ihn ins Silberpapier und fragte: »Wie? Was? Wie bitte? Was ist los?«
»Der Pilipp kommt zu spät«, wiederholte Elvira.
Herr Göltenpott guckte ins Klassenzimmer. Lippel saß inzwischen längst an seinem Platz, deshalb fragte Herr Göltenpott verwundert: »Wer kommt zu spät?«
»Der Pilipp!«, sagte Elvira. (Nun schon zum dritten Mal.)
»Elvira, Mädchen!«, sagte Herr Göltenpott nachsichtig und faltete seine Zeitung zusammen. »Erstens heißt er nicht Pilipp, sondern Philipp. Und zweitens sitzt er dort an seinem Platz, wenn ich mich nicht irre. Kann denn jemand zu spät kommen, der bereits an seinem Platz sitzt? Na also!«
Nachdem damit der Fall für ihn geklärt war, schaute er unschlüssig auf seine Zeitung und überlegte wohl, ob er sie wieder auseinanderfalten und noch ein wenig weiterlesen solle. Er kam zu dem Entschluss, dass es sich nicht mehr lohnte.
So stand er auf, stellte sich vor das Lehrerpult und sagte: »Achtung, wir beginnen mit dem Unterricht!«
Alle hörten auf sich zu unterhalten und schauten Herrn Göltenpott erwartungsvoll an.
»Gut aufpassen, es wird nur einmal erklärt!«, kündigte Herr Göltenpott an.
»Erstens: Die Vorzeichnung. Sie wird mit dem Bleistift ausgeführt. Das ist wichtig. Hört ihr: mit dem Bleistift!
Nicht erlaubt
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