Lippels Traum (German Edition)
entdeckt und jäh von kräftigen Männerhänden gepackt zu werden.
Das Bellen wurde lauter und aufgeregter. Das dumpfe Hufgetrappel verstummte plötzlich. Nun hatten sie den Hund entdeckt.
Lippel hielt den Atem an.
Eine Mädchenstimme rief freudig überrascht: »Das ist ja Muck! Asslam, schau doch: Das ist Muck! Er muss uns gefolgt sein. Ja, Muck, sei ruhig! Braver Hund, braver Hund!«
Es war die Stimme von Hamide!
Lippel sprang auf.
Zwei Pferde standen so nahe bei ihm, dass er die Reiter sofort erkannte: Asslam und Hamide.
Asslam war vom Pferd gestiegen und streichelte den Hund, der winselnd an ihm hochsprang und ihn mit allen Zeichen der Freude begrüßte.
Hamide sah Lippel zuerst. Sie erschrak, als sich so unvermittelt eine staubige Gestalt vor ihr aufrichtete. Doch gleich darauf erkannte sie ihn und stieg auch vom Pferd.
»Lippel! Lippel, da bist du ja!«, rief sie. »Wo ist dein Pferd? Warum bist du nicht bei uns geblieben? Wir suchen dich seit Stunden!«
»Mein Pferd hat mich abgeworfen. Es ist weg«, sagte Lippel kleinlaut. »Ich habe euch auch gesucht. Sehr!«
Asslam umarmte Lippel stumm.
»Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht«, versicherte Hamide.
Asslam nickte.
»Ich bin ja so froh, dass ihr da seid!«, sagte Lippel erleichtert. »Gut, dass wir uns gefunden haben.«
»Stell dir vor: Asslams Lieblingshund hat uns gefunden«, erzählte Hamide aufgeregt. »Wahrscheinlich ist er uns gefolgt, als man uns aus dem Palast schaffte. Im Sturm hat er dann unsre Spuren verloren. Er heißt Muck.« Sie streichelte Muck und sagte dabei: »Muck, das ist Lippel. Begrüße ihn!«
»Ach, wir kennen uns bereits«, sagte Lippel und streichelte Muck über den Kopf. »Wir sind schon ein ganzes Stück zusammen durch die Wüste gegangen.«
»Und was machen wir nun?«, fragte Hamide. »Wie geht es jetzt weiter?«
Asslam zeigte zuerst auf Lippel, dann auf sein Pferd.
»Meinst du, ich soll reiten und du gehst zu Fuß?«, fragte Lippel.
Asslam lachte und schüttelte den Kopf. Er nahm Lippel am Arm, führte ihn zu seinem Pferd, ließ ihn aufsitzen und schwang sich dann hinter ihm auf den Pferderücken.
Hamide stieg auch auf ihr Pferd und so ritten die drei nebeneinanderher. So schnell, dass Muck kaum folgen konnte.
»Wohin reiten wir eigentlich?«, rief Lippel Hamide zu.
»Zurück zur Hauptstadt!«, antwortete Hamide.
»Ist das nicht gefährlich?«, fragte Lippel. »Man hat uns doch verbannt. Wir können doch nicht einfach in den Palast zurückkehren.«
»Nicht in den Palast«, schrie Hamide. »Wir verbergen uns in der Stadt. Zwei Tage lang. Dann darf Asslam wieder reden und kann unsrem Vater alles erklären.«
»Wie findet ihr zurück? Woher wisst ihr, in welche Richtung wir reiten müssen?«, wollte Lippel wissen.
»Asslam führt uns. Er hat bei Sindbad, seinem Lehrer, gelernt, wie man am Stand der Sonne erkennen kann, wo man sich befindet. Du kannst ihm vertrauen.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Lippel. »Hat Asslam mit dir gesprochen?«
»Nein, er hat es mir aufgeschrieben. Mit dem Finger in den Sand. Er meint, dass wir noch heute in der Stadt sein können.« Sie ritten den ganzen Tag und machten selten Rast.
Die Pferde wurden immer müder und langsamer. Muck, der anfangs kaum hatte folgen können, war nun den beiden Pferden weit voraus.
Die Sandwüste ging langsam über in eine Felswüste, in der schon einige Pflanzen wuchsen: hartes Gras und kleinblättrige Büsche.
Die Landschaft wurde immer grüner und freundlicher, je weiter sie ritten. Plötzlich hielt Asslam sein Pferd an. Hamides Pferd blieb auch stehen.
»Übernachten wir hier?«, fragte Lippel und drehte sich zu Asslam um. Asslam schüttelte verneinend den Kopf und zeigte nach vorne. Lippel kniff die Augen zusammen und starrte angestrengt in die angegebene Richtung.
Weit vor ihnen am Horizont erhob sich eine morgenländische Stadt aus der Ebene. Tausende von weißen Häusern mit flachen Dächern drängten sich einen Hügel hinauf. Sie standen so dicht, dass man meinte, man könne mühelos von Dach zu Dach über die ganze Stadt wandern. An manchen Stellen wurde sie von großen Kuppeln und schlanken, weißen Türmen überragt, die von der Abendsonne rot gefärbt waren.
»Ist das die Hauptstadt?«, fragte Lippel aufgeregt. »Sie ist schön.«
»Siehst du das Stadttor dort? Durch das hat man uns hinausgeführt«, sagte Hamide. »Die goldene Kuppel oben auf dem Hügel gehört zum Palast. Dort wohne ich.« Sie verbesserte
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