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Lippels Traum (German Edition)

Lippels Traum (German Edition)

Titel: Lippels Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Maar
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schlief wirklich ein und fing gleich an zu träumen.

Der dritte Traum
    s dämmerte schon, als Lippel, Hamide und Asslam mit Muck beim Stadttor anlangten. Mit ihnen zusammen drängten viele Leute in die Hauptstadt, denn es war Abend und beim Einbruch der Nacht wurden die Tore geschlossen. Wer nicht rechtzeitig in die Stadt kam, musste draußen auf freiem Feld übernachten. Lippel nahm seinen Turban vom Kopf, riss einen langen, schmalen Stoffstreifen ab und band ihn Muck als Halsband und Leine um. Er hatte Angst, dass sie den Hund im Gedränge verlieren könnten.
    Die drei Kinder gingen durch das Tor, vorbei am Torwächter, geborgen in der Menge der wandernden Handwerker, der Händler und Bettler. Mit ihnen kamen Hirten, die ihre Ziegenherden vor sich hertrieben, Bauern auf Eseln, Kaufleute auf Kamelen und viele Kinder, die von der Arbeit auf den Feldern zurückkehrten.
    »Gut, dass wir unsre beiden Pferde bei den Felsen gelassen haben«, sagte Lippel halblaut zu Asslam und Hamide. »Kinder auf Pferden wären hier aufgefallen.«
    Asslam nickte.
    »Und gut, dass du dich umgezogen hast«, fügte Hamide hinzu. »In deinem seltsamen Gewand wärst du bestimmt auch aufgefallen. – Wir müssen uns beeilen. Es wird bald dunkel.«
    »Es wird wirklich gleich dunkel«, sagte Lippel. »Wo schlafen wir nur?«
    »Wir müssen eine Herberge finden«, sagte Hamide.
    Und die drei durchstreiften mit ihrem Hund die engen, krummen Gassen auf der Suche nach einer Unterkunft.
    Jetzt, da die Hitze des Tages langsam abgeklungen war und der Abend kühle Luft durch die Gassen streichen ließ, kamen die Menschen aus ihren Häusern.
    Kupferschmiede saßen auf Hockern vor ihrer Werkstatt und formten große Wasserkessel aus Kupferblech, Sandalenmacher flochten Lederbänder zu Schuhriemen, ein Schneider nähte an einem gestreiften Kaftan, Schreiner hobelten draußen ihre Bretter, man sah Korbflechter, Holzschnitzer, Teppichknüpfer und sogar einen Glasbläser bei der Arbeit. Vor den Läden standen die Händler und priesen laut ihre Waren an.
    Nach einer Weile fanden die drei, was sie suchten. Auf einem Schild stand:
    »Herberge zum Wilden Kalifen.
Hier übernachtet man gut und billig.«
    Sie gingen durch die äußere Tür und standen gleich darauf in einem Innenhof mit vielen Türen ringsum.
    Ein alter Mann saß auf dem Boden, an eine Säule gelehnt, kaute an einem Dattelkern und las in einem Buch.
    Die Kinder standen eine ganze Weile vor ihm, ohne dass er sie bemerkt hätte.
    Sie räusperten sich, scharrten ein bisschen mit den Füßen, um auf sich aufmerksam zu machen, klopften Muck auf den Rücken und gingen vor dem Mann hin und her.
    Aber der las unbeirrt weiter.
    Schließlich sagte Hamide laut: »Allah sei mit Euch, verehrungswürdiger Mann. Verzeiht, dass ich so einfach das Wort an Euch richte. Es ist aber unser Wunsch, hier in Eurer Herberge zu übernachten.«
    Der Mann legte sein Buch zur Seite, nahm den Dattelkern aus dem Mund, wickelte ihn in ein Feigenblatt und steckte ihn in eine Tasche seines Kaftans.
    Dann betrachtete er prüfend die drei Kinder und den Hund und sagte: »Erstens stört man nicht beim Lesen. Das ist unhöflich. Zweitens stört man alte Männer erst recht nicht beim Lesen. Das ist noch unhöflicher. Und drittens stört man alte Männer schon gar nicht, wenn sie im Koran lesen. Das ist ganz unhöflich. Wo sind denn eure Eltern? Oder wollt ihr etwa alleine hier übernachten?«
    »Ja, so ist es. Allah vergebe, dass wir Euch gestört haben«, sagte Hamide.
    Der Mann betrachtete die drei noch aufmerksamer und fragte: »Warum redet immer nur das Mädchen?«
    »Asslam hier ist stumm«, sagte Lippel schnell. »Er kann nicht reden.«
    »Und du? Bist du auch stumm? Warum redest du nicht?«, fragte der Mann nach.
    »Ich habe doch geredet«, sagte Lippel.
    »Wann?«
    »Na, eben habe ich doch gesagt, dass Asslam stumm ist!«
    Der Mann dachte eine Weile nach und kratzte sich dabei mit dem Daumennagel am Kinn. »Ja, das stimmt«, sagte er schließlich. »Wo, habt ihr gesagt, sind eure Eltern?«
    »Wir haben es überhaupt nicht gesagt, Verehrungswürdiger«, antwortete Hamide.
    »Erstens habe ich dich gar nicht gefragt, sondern jenen Jungen. Und zweitens möchte ich trotzdem gerne wissen, wo eure Eltern sind.«
    »Sie – sie sind …«, fing Hamide an und stockte.
    »Sie sind in Wien«, sagte Lippel hastig.
    »Wien? Was ist Wien?«, fragte der alte Mann erstaunt.
    »Das ist eine Stadt im fernen Frankistan«, erklärte ihm

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