Lippels Traum (German Edition)
gesagt, wohin er … Oh, Entschuldigung, was für eine dumme Bemerkung! Was machen wir nur?«
»Ich werde ihn suchen«, versprach Lippel.
Draußen war es noch kühl.
Die Handwerker hatten ihr Morgenmahl wohl schon eingenommen, sie saßen bereits vor ihren Häusern bei der Arbeit. Ein paar Kinder spielten »Schwarzer Mann«.
Lippel ging auf sie zu.
»Habt ihr vielleicht einen fremden Jungen gesehen?«, fragte er. »Er ist ungefähr so alt wie ich. Er hat einen braunen Hund bei sich.«
Die Kinder verneinten.
Lippel war unschlüssig, welchen Weg er nehmen sollte. Schließlich entschied er sich und rannte die Gasse hinunter. Er lief gerade an einer hohen Gartenmauer entlang, über die ein paar Obstbäume ihre Zweige in die Gasse hinausstreckten, als ihm plötzlich Asslam entgegenkam.
Asslam war in höchster Eile und rannte, so schnell er konnte. Fast wäre er an Lippel vorbeigesaust. Gleichzeitig blieben sie stehen.
»Lippel!«, rief Asslam. Er war ganz außer Atem.
»Asslam, du redest ja!«, rief Lippel verblüfft. »Warum darfst du denn auf einmal reden? Was ist geschehn? Sag doch!«
»Still! Schnell über die Mauer!«, rief Asslam. »Schnell!«
Er drängte so sehr, dass Lippel ohne weitere Fragen nach einem Zweig griff, sich hochzog und auf der anderen Seite der Mauer in den fremden Garten sprang. Er landete in einem Blumenbeet. Neben ihm sprang Asslam in die Blumen.
»Was ist denn?«, flüsterte Lippel aufgeregt.
»Hörst du?«, flüsterte Asslam. Die beiden lauschten.
»Hufgetrappel! Pferde!«, flüsterte Lippel. Erschrocken fragte er: »Sind das die drei Wächter?«
»Zwei«, flüsterte Asslam. »Sie verfolgen mich.«
Das Trappeln der Pferdehufe auf dem Pflaster wurde lauter, zwei Reiter galoppierten auf der anderen Seite der Mauer vorbei, dann wurde es leiser und war schließlich nicht mehr zu hören.
»Sie haben uns nicht entdeckt!«, sagte Lippel erleichtert.
Hinter ihnen wurde der Fensterladen des Hauses aufgestoßen, zu dem der Garten gehörte. Gleich darauf stürmte ein wütender Mann aus der Hintertür, einen Prügel in der Faust.
»Habe ich euch erwischt, ihr Diebe! Ihr also stehlt immer meine Granatäpfel! Na wartet! Oh, meine Blumen! Warum habt ihr meine schönen Blumen zertrampelt? Ihr sollt meinen Stock zu schmecken kriegen!«, schrie er und versuchte Lippel am Übergewand zu packen. Lippel stand einen Moment starr vor Schreck, dann fasste er sich, griff schnell nach einem Ast und hangelte sich hinauf.
Asslam war schneller gewesen. Er stand schon oben auf der Mauer.
Das war Lippels Glück, denn Asslam streckte ihm die Hand entgegen, zog ihn zu sich hoch und sprang mit ihm hinunter in die Gasse.
Der Besitzer des Gartens schimpfte auf der anderen Seite über die beiden Diebe, jammerte über seine zertretenen Blumen und schien sich schließlich zu beruhigen.
»Er geht wieder in sein Haus«, sagte Asslam. »Er klettert nicht über die Mauer, das ist ihm zu mühsam.«
»Das war knapp!« Lippel wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Jetzt musst du mir alles erzählen. Wie kommt es, dass du reden kannst? Wo warst du denn?«
Asslam sagte erschrocken: »Hörst du auch die Pferde?«
Lippel lauschte. »Sie kommen zurück!«, rief er aufgeregt. »Was machen wir denn jetzt? Sie kommen zurück!«
»Schnell über die Mauer!«, befahl Asslam und schwang sich schon wieder hinauf.
»Aber der Mann! Er hat einen Stock!«, sagte Lippel verzweifelt.
»Lieber Schläge als die Wächter!«, sagte Asslam entschlossen, streckte Lippel die Hand entgegen und die beiden sprangen zum zweiten Mal in das Blumenbeet.
Keinen Augenblick zu früh, denn die Hufschläge waren schon ganz nah zu hören!
Der Besitzer des Gartens schaute aus der Tür.
»Beim Barte des Propheten!«, rief er. »Diese Frevler! Diese Schurken! Diese Banditen! Schon wieder in meine Blumen! Diesmal entkommt ihr mir nicht!«
Lippel blickte Asslam an: Was sollten sie nur tun?
Auf der anderen Seite der Mauer ritten gerade die Wächter vorbei, hier drinnen wurden sie von einem Mann bedroht, der sie für Diebe hielt.
»Mir nach!«, rief Asslam halblaut und rannte an der Mauer entlang, in den entferntesten Teil des Gartens.
Der Mann verfolgte sie schwer atmend.
Und gerade als er wohl glaubte, er hätte sie in eine Ecke getrieben, wo sie nicht mehr ausweichen konnten, schlugen die beiden gleichzeitig einen Haken und stürmten an ihm vorbei, durch die Tür ins Haus.
»Was machst du?«, keuchte Lippel, der immer hinter Asslam
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