Lipstick
er sie unentwegt an, doch dann suchte er plötzlich meinen Blick, was mir unangenehm war. Vielleicht, so argwöhnte ich, war ich hier als Blondine automatisch im Vorteil, aber ich wollte nicht, ich wollte, daß Greta zu ihrem Recht kam – und ich zu meiner wohlverdienten Ruhe.
Verstohlen guckte ich Silvio an. Er sah ebenfalls nicht übel aus, etwas hellere, raspelkurze Haare, genauso raspelkurzer Bart, Brille. Sehr intellektuell, ebenfalls gepflegt. Vielleicht sind sie auch ein Schwulenpaar, ging es mir durch den Kopf, doch weshalb flirteten sie dann wie die Teufel?
Nachdem die Männer ihre Obstsalatschalen geleert hatten, sprang Maurizio mit einemmal wie von der Tarantel gestochen auf und rannte ohne Mantel nach draußen.
Greta und ich sahen Silvio fragend an. Dieser lächelte in seiner verhaltenen Art, sagte dann in einem englisch-italienischen Mischmasch, er müsse dringend telefonieren und ob wir nicht Lust hätten, später auf eine Privatfeier mitzukommen.
Privatfeier? Ich warf Greta einen unsicheren Blick zu. Gewiß, die beiden sahen absolut vertrauenswürdig aus, aber ob es klug war,mit ihnen in irgendeiner Privatwohnung abzutauchen, stand auf einem anderen Blatt.
»Ich kann mir schon vorstellen, was Sie jetzt denken«, sagte Silvio auf italienisch, »aber Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben.« Er nahm sein Weinglas und drehte es bedächtig in den Händen. »Maurizios Exfrau gibt anläßlich ihrer Ausstellung – sie ist Malerin – ein Fest, und es würde sie sicherlich freuen, wenn wir in so sympathischer Begleitung kämen.«
»Ach, und seine Exfrau lebt in Venedig?« fragte ich schnell. Meine Eltern hatten mir in jahrelanger Kleinstarbeit dieses Mißtrauen eingeimpft.
»Ja, mit ihrem neuen Mann.«
Ich stieß Greta unter dem Tisch an, aber die machte ohnehin den Eindruck, als sei sie völlig von Sinnen. Da kam Maurizio mit einem eingewickelten Blumenstrauß zurück und überreichte ihn tuschelnd dem Kellner. Das wurde ja immer verrückter.
Als er sich wieder zu uns gesetzt hatte, redete auch er mit Engelszungen auf uns ein. Wir sollten mit zu dem Fest kommen, es würde uns dort sicher gefallen.
»Laß uns doch gehen«, sagte Greta rasch auf deutsch.
»Ich finde es nur merkwürdig, daß sie vorher im Restaurant essen. Auf Partys kriegt man doch auch was zu futtern.«
»Hmm«, machte Greta und quetschte unbewußt ihr Ohrläppchen.
Silvio wollte wissen, was wir geredet hätten, na gut, sagte ich mir, soll er es eben hören.
»Vor der Party findet ein offizielles Essen statt, zu dem nur geladene Gäste kommen. Als Exmann bin ich da unerwünscht.« Maurizio lachte. Er hatte wunderschöne ebenmäßige Zähne. »Sind jetzt alle Zweifel beseitigt?«
»Zweifel hat man immer«, sagte ich in vermutlich völlig verkehrtem Italienisch.
»Zweifel sind dazu da, daß man sie ausräumt«, meinte Maurizio immer noch lachend.
Gut, dann willigten wir eben ein. Schließlich wurde man nur einmal im Leben dreißig.
Kurz vor zwölf verschwand Maurizio wie auf Kommando, kehrte dann zwei Minuten später mit dem Blumenstrauß im Arm zurück – es waren dreißig rote Rosen. In seinem Schlepptau unser Kellner. Er balancierte ein Tablett mit einem Sektkübel und fünf Champagnergläsern. Automatisch mußte ich an die Flasche denken, die nun in meinem Rucksack vor sich hin dümpelte.
Silvio erhob sich jetzt auch, der Kellner öffnete die Flasche – trotzdem mußten wir noch ein paar Sekunden verlegen grinsend ausharren, bis die Uhr zwölf schlug und wir anstoßen konnten. Greta umarmte mich und gratulierte, dann waren Maurizio, Silvio und der Kellner an der Reihe, die sich alle drei für die galante Weise, den Handkuß, entschieden. Schließlich überreichte Maurizio mir die Rosen, und Greta steckte mir eine kleine Schatulle zu, in der ein wunderschöner, breiter silberner Ring mit einem eingelassenen Mondstein lag.
Ich wollte gerade noch einen Schluck auf mein eigenes Wohl trinken, da passierte es: Mir wurde schwindelig, die Geräusche um mich herum schwollen zu einem Tosen an, gleichzeitig wurde mir schwarz vor Augen.
»Greta!« rief ich in Panik und krallte mich an der Tischkante fest. Augenblicklich besserte sich mein Zustand wieder, Greta sagte: »Mein Gott, du bist ganz bleich«, und Maurizio kam um den Tisch gerannt, um mir ein Glas Wasser in die Hand zu drücken. Ich hatte auf einmal ganz fürchterlichen Durst, trank gierig, und als ich das Glas absetzte, war mir schlecht.
»Ich glaub, ich muß mal
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