Lipstick
ich barsch.
»Dann dürfen wir auch nicht essen gehen. Fast alle Kellner sind in Italien männlichen Geschlechts.«
»Bestellen ist okay, flirten nicht!« scherzte ich weiter.
»Was ißt du?« Greta sah mich mit geradezu gierigem Blick an.
»Spaghetti vorneweg, die simplen in Tomatensoße, als Hauptgericht Scampi mit Salat und dann, mal sehen, vielleicht einen Tartufo?«
»Ich nehme eine Zuppa di Verdura, dann ein Filetto di manzo mit … kannst du mir eine Beilage empfehlen?«
»Spinat?«
»Okay, Spinat, Nachtisch, mal sehen, das entscheide ich später.«
Es wurde ein großartiges Geburtstagsessen. Trotz unserer Tramezzini-Orgie am Nachmittag hatten wir Hunger wie die Wölfe, und alles schmeckte, wie es nur an diesem Ort schmecken konnte. Als wir beim Dessert angelangt waren – ich aß Tiramisu, Greta Tartufo –, steuerten zwei Italiener unseren Tisch an.
»O nein!« raunte Greta mir zu. »Ich denke, es sollte ein männerfreier Abend werden.«
»Wir sind ja fast fertig.«
»Aber ein bißchen Wein könnte ich schon noch vertragen. Es ist gerade so gemütlich.«
Klar war es gemütlich. Ich hatte Gretas Blick genau registriert. Die Herren, beide so um die Vierzig, machten nicht gerade einen unattraktiven Eindruck, und ich konnte es Greta auch nicht verübeln, wenn sie sich ein bißchen männliche Bewunderung abholenwollte. Tag und Nacht Mutter eines Babys zu sein war doch eben nicht alles im Leben.
Also lächelten wir unseren Mitessern freundlich entgegen. Diese fragten höflich an, ob sie sich setzen dürften. Natürlich, stotterte ich auf italienisch, sie hätten ja schließlich reserviert, wohingegen wir unangemeldet hereingeschneit seien – und ob sie das vielleicht störe. Keineswegs, so nette Damengesellschaft treffe man selten an, und woher wir denn kämen? Deutschland? Sie sprechen hervorragend Italienisch, ich grinste geschmeichelt, während Greta mir mit ihrem Englisch unter die Arme griff.
Natürlich war unsere Unterhaltung platt wie eine Flunder, was zum einen am Verständigungsproblem lag, zum anderen an der Tatsache, daß die Herren sich vorgenommen hatten, uns mit allerlei Höflichkeiten zu überschütten.
Als man den Männern die Vorspeisen servierte – Pasta mit Meeresfrüchten –, hatte ich bereits einen im Tee, und Greta, die den Wein heute wie Wasser runterkippte, plauderte leichtfertigerweise den Anlaß unserer Reise aus. Ich hätte sie würgen mögen! Natürlich uferten die Nettigkeiten jetzt zu wahren Lobeshymnen auf uns aus, und schließlich beknieten uns die beiden Italiener, unbedingt bis Mitternacht zu bleiben, dann würden wir mit Champagner anstoßen.
»Ich weiß nicht recht«, flüsterte ich Greta zu, aber da sie wie selten strahlte, willigte ich ein. Man soll ja nicht egoistisch sein. Und schon gar nicht an seinem dreißigsten Geburtstag.
Das einzige Problem: Es war erst halb elf. Wie sollten wir nur anderthalb Stunden mit diesen völlig fremden Männern herumkriegen? Der Einfachheit halber einigten wir uns erst mal auf Englisch als Kommunikationsmittel, was sich jedoch nicht weniger kompliziert gestaltete, da die beiden in der Schule offensichtlich nicht besonders gut aufgepaßt hatten.
Unter Aufbietung all unserer fremdsprachlichen Fähigkeiten erfuhren wir dann schließlich, daß Maurizio und Silvio – wie sie sich uns vorstellten – als Restaurateure arbeiteten und gerade am Palazzo dei Camerlenghi zu tun hätten, eigentlich lebten sie in Genua.
Greta und ich hatten beide keine Lust, uns groß über unsere beruflichen Werdegänge auszulassen, und nach einem gegenseitigen Fußtritt unter dem Tisch lenkten wir das Gespräch auf die Stadt – das war zum einen interessant, zum anderen unverfänglich.
Maurizio, ein großer dunkelhaariger Mann mit gepflegten Händen, erzählte, daß er sich als Kind immer gewünscht habe, in Venedig leben zu können. Und zwar nicht wegen der Schönheit der Stadt, die habe er mit sieben Jahren gar nicht wahrgenommen, sondern weil er unter den Häusern herumtauchen und in die Keller spazieren wollte.
Greta lächelte smart. Die ganze Zeit über hatte ich schon beobachtet, daß sie wie ein Jünger an den Lippen eines Gurus gehangen hatte. O Mann! Wenn das nicht höchste Alarmstufe bedeutete! Bisher kannte ich Greta eigentlich ausschließlich als brave Micha-Frau und Mäxchen-Mutti, doch daß sie einen Mann so begierig anschauen konnte, war mir völlig neu.
Aber auch Maurizio schien Gefallen an ihr zu finden. Während er sprach, sah
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