Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
Vom Netzwerk:
wieselte mit weißer Schürze durch die Räume, er lächelte uns zu, und dannwandte ich meinen Blick wieder nach draußen, wo sich langsam die Nacht auf die Piazza senkte.
    »Was denkt man, wenn man dreißig wird?« fragte Greta.
    »Daß das Leben manchmal so perfekt ist, daß man gar nicht weiß, womit man es verdient hat!« Ich deutete mit dem Finger auf den Markusplatz. »Guck doch nur!«
    »Ich fand an meinem dreißigsten alles unperferkt. Micha hat nur genörgelt. Ach, Gott …« Greta knabberte an einem Fingernagel.
    »Hoffentlich packt meine Schwester es mit Mäxchen.«
    »Natürlich packt sie es!«
    »Diese ständige Angst ums Kind – das kannst du Wahrscheinlich nicht nachvollziehen.«
    »Mag sein.«
    Ich fing an, mich ein bißchen weniger glücklich zu fühlen, und wollte nicht, daß Greta mit irgendwelchen Kinderthemen die Stimmung kaputtmachte.
    »Es gibt keinen Ort, an dem ich jetzt lieber wäre«, sagte ich und schaute wieder raus, um nicht eine Sekunde zu verpassen, denn auch die Dunkelheit veränderte sich laufend. »Ich glaube, Erotik hat nicht immer was mit Männern und Sex zu tun. Dieses Café hier zum Beispiel …«
    Greta sah mich verständnislos an, aber ich hatte eigentlich keine Lust, es ihr zu erklären. Die Sache mit den langen Schürzen, dem Klappern der Teller und dem Zischen der Cappuccinomaschine. Also nippte ich nur an meinem Prosecco und dachte darüber nach, wie ich es schaffen konnte, diesen Moment hier in seiner ganzen Komplexität in meinem Kopf zu speichern.
    Gegen halb acht brachen wir zum Essen auf. Es war empfindlich kalt geworden, und ein Nieselregen stäubte uns entgegen.
    »Brrr«, machte Greta und klappte den Kragen ihres Mantels hoch.
    Obwohl sich auch mir sämtliche Nackenhaare aufstellten, genoß ich den Spaziergang. In einigen Gassen war es so finster, daß man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Kein Mensch weit und breit, nur ab und zu hörte man in einiger Entfernung klackende Schritte.
    Es war merkwürdig: Obwohl ich nicht oft in Venedig gewesen war, bewegte ich mich mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit durch die Stadt. An welcher Weggabelung wir auch ankamen, immer wußte ich instinktiv, welche Richtung wir nehmen mußten.
    Greta war beeindruckt. »Wahnsinn«, meinte sie. »Ohne dich wäre ich hier aufgeschmissen.«
    Etwa fünfzehn Minuten später kamen wir in der schon rappelvollen Trattoria an.
    »Jetzt hilft nur noch beten«, sagte ich. »Wäre unschön, wenn ich an meinem letzten Twenty-something-Tag nichts in den Magen bekäme.«
    Einer der Kellner eilte drei Teller balancierend auf uns zu und fragte uns, ob wir reserviert hätten. In stümperhaftem Italienisch erklärte ich ihm, daß wir erst heute angereist seien, also keine Möglichkeit gehabt hätten, einen Tisch zu bestellen.
    »Completo«, hieß die prompte Antwort. Er rauschte von dannen.
    »Tja, jetzt haben wir den Salat.« Greta sah mich entmutigt an.
    Da entdeckte ich den Keller, der mich bei meinem letzten Venedigaufenthalt vor schätzungsweise fünf Jahren bedient hatte.
    Ich winkte ihm wahrscheinlich ziemlich albern lächelnd zu, woraufhin er stutzte und dann wie eine Granate auf uns zugeschossen kam.
    Ja, er erinnere sich, meinte er freudestrahlend. Sie waren doch ein paarmal mit einem Herrn da, einem richtigen »uomo di mondo«. Esatto! Dieser Mann von Welt hatte Tom geheißen und laufend irgendwelchen spitzknieigen Bellezzas nachgesehen.
    Jetzt mischte sich Greta ein und sagte auf englisch, daß ich meinen dreißigsten compleanno in Venedig feiern würde, hier, heute abend. Ich wurde rot, der Kellner überschlug sich daraufhin fast vor Begeisterung, während er mir die Hand küßte und mir gratulierte.
    »Das bringt doch Unglück«, raunte ich Greta zu.
    »Quatsch. In Venedig bringt so was Glück! Zumindest bin ich mir sicher, daß wir einen Tisch kriegen.«
    Greta hatte recht. Ein kleines »Un momento!«, er ließ uns stehen, gestikulierte mit dem Kellner, der uns gerade die Abfuhr erteilt hatte, dann wurden wir in den hinteren Saal geführt, der mit seinem gutbürgerlichen Ambiente offensichtlich für spezielle Gäste gedacht war.
    Ob es uns etwas ausmachen würde, um halb zehn kämen noch zwei Personen. Nein, natürlich nicht, vielleicht wären wir um diese Uhrzeit auch schon fertig. Wir bedankten uns und orderten, bevor wir uns die Karte vorknöpften, erst mal Rotwein und Wasser.
    »Sieht süß aus, der Kellner«, meinte Greta.
    »Dies hier ist eine reine Frauenreise!« entgegnete

Weitere Kostenlose Bücher