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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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tranken und zwei, drei Tramezzini in uns hineinstopften.
    Ich liebe Tramezzini und besonders die venezianischen. Weil sie nicht nur ordinäre Sandwiches sind, sondern eine Offenbarung. Weich und dick, an den Rändern mit Hilfe eines breiten Messers plattgedrückt, dazu mit mediterranen Kreationen belegt, die nur die Italiener zustande bringen … ach!
    »Das war eine wirklich göttliche Idee«, murmelte Greta noch kauend, während sie sich aber schon den Mund und damit die Resteihres dunkelroten Lippenstiftes abwischte, und ich fügte hinzu:
    »Göttlich – so ganz ohne Männer.«
    »Mach dir keine Sorgen. Das wird auch so bleiben.«
    »Na, ich weiß nicht … Und wenn du dich in den nächsten Gigi Amoroso verknallst, der uns über den Weg läuft?«
    »Und du?« Greta lachte. Zwischen ihren Schneidezähnen hatte sich ein Stückchen Petersilie oder Basilikum verhakt.
    »Nein, danke. Mein Bedarf ist seit der Erfindung eines gewissen Jan vollends gedeckt.«
    Das war das Schöne an dieser Stadt: Man konnte einfach herumlaufen und schauen, ab und zu eine Bar ansteuern, etwas trinken, und nie wurde einem langweilig.
    So schlenderten wir erst mal eine Weile ziellos durch Gassen und über Brücken, und als wir nach vielerlei Irrgängen schließlich auf dem Campo San Stefano standen, fühlten wir uns wieder cappuccinoreif. Rein in die nächste Bar. Danach ging’s im selben gemächlichen Tempo weiter. Wir guckten uns verfallene Häuser an, gräuliches Wasser und Geschäfte, wir atmeten die frische Novemberluft, und später kaufte ich eine Flasche Champagner, mit der wir um Mitternacht anstoßen würden. In Venedig war es nämlich möglich, daß man um diese Zeit keine offene Bar mehr fand.
    »Lust auf Kultur?« fragte ich Greta, als uns die Füße schon weh taten. »Scuola Grande di S. Rocco? Frari-Kirche? Guggenheim-Museum?«
    »Kenn ich alles noch in- und auswendig«, sagte Greta. »Ich finde, wir sollten jetzt lieber ins Hotel gehen, uns frisch machen und uns danach einen schön kulturellen Aperitif im ›Florian‹ genehmigen.«
    Das, fand ich, war wirklich eine ausgezeichnete Idee.
    Auf dem Nachhauseweg – es begann schon langsam zu dämmern – guckten wir uns eine Trattoria aus, in der wir später zu Abend essen würden. Sie lag in der Nähe der Accademia, und wie ich mich erinnerte, war die Küche hier solide, um nicht zu sagen hervorragend.
    Zurück in unserem Zimmerchen, breiteten wir alle uns zurVerfügung stehenden Kleidungsstücke auf dem Bett aus und überlegten, was man am besten womit kombinieren könnte und welches Teil wem von uns am besten stand. Die ganze Prozedur dauerte etwa eine halbe Stunde und machte riesigen Spaß. Leider fiel es uns unsagbar schwer, uns zu entscheiden, so daß uns schließlich nichts anderes übrigblieb, als zu losen. Jedes Outfit bekam eine Nummer, wir schrieben die Zahlen ebenfalls auf kleine Zettel, die wir in einen Zahnputzbecher legten. Ich zog die Drei. Was für ein Zufall, es war das lange schwarze Kleid, das Greta an ihrem dreißigsten getragen hatte. Greta zog die Eins, das rote Tom-Kleid, kombiniert mit einer taillierten Jacke aus ihrer Kollektion.
    »Ich kriege einen Altweiberbauch«, sagte ich zu Greta, als ich ihr Kleid über den Kopf gestreift hatte. Es stand mir schon gut zu meinen hellen Haaren, aber da ich zum einen größer und zum anderen dicker als Greta war, zeichnete sich vorn eine richtige kleine Kugel ab.
    »Das ist das Los aller Dreißigjährigen.« Greta grinste. »Stellt sich auf die Sekunde genau zum Jahrzehntwechsel ein.«
    Ich sah an mir herab und dachte, laß dich jetzt bitte nicht von dieser »Ich-bin-ja-so-alt-und-das-Gewebe-wird-schlaff«-Hysterie anstecken.
    »War nur ein Spaß! Man sieht doch gar nichts!« Greta hatte wohl meinen verunsicherten Blick bemerkt. »Nur eine wohlproportionierte Frau.«
    »Genau!« redete ich mir gut zu. »Zwei wohlproportionierte Frauen in Venedig. Ist das nicht großartig?«
    Es war großartig. Und noch großartiger war es, im »Florian« am Fenster zu hocken und auf den abendlichen Markusplatz zu schauen. Es war so großartig, daß es schon schmerzte.
    Wir saßen auf einer abgeschabten roten Samtbank, um uns herum Spiegel und Fresken, wir bestellten Prosecco, und als die Gläser zusammen mit ein paar Knabbereien vor uns standen, dachte ich, jetzt bist du mit deiner besten Freundin im morbidsten und zugleich erotischsten Café der Welt, und das ist doch das Beste, was dir an so einem Tag passieren kann. Der Kellner

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