Lipstick
schämte mich. Vor mir und vor all den Menschen, die mich mit Jan gesehen hatten. Der Schöne und das alberne Schulmädchen. Schön doof. Und ich dachte, ich wäre aus dem Alter raus … Greta. Ich würde zu Greta fahren.
Ein Geruch von Currywurst und Pommes lag in der Luft, als ich am Lattenkamp ausstieg. Ich hatte Greta nicht mal vorher angerufen. Sie mußte einfach zu Hause sein. Greta, ich brauche dich! Ohne dein blödes Schickimicki-Essen wäre nämlich alles anders gekommen, der erste Jan-Kontakt hätte kein Nachspiel gehabt, und ich wäre meinem Lebensmuster treu geblieben: sinnlos und unverliebt durch den Tag zu taumeln.
Greta öffnete erst nach dem zweiten Klingeln und hielt dann sogleich den Zeigefinger auf die Lippen. Mäxchen sei krank. Fieber – eben das übliche.
»Ich bin auch krank«, sagte ich.
»Was hast du denn?«
»Herzklappenfehler.«
»Jan?«
»Ach!« winkte ich ab und steuerte sofort die Küche an. »Hast du was Vernünftiges im Kühlschrank?«
»Ein bißchen Fenchelsalami. Ein Rest Gouda ist auch noch da. Tomatensuppe im Keller …«
»Ich esse alles.«
Greta war der Meinung, daß mein Liebeskummer schon ziemlich heftig sein müsse, schließlich sei ich doch sonst beim Thema Nahrungsaufnahme eher wählerisch.
»Dieses Schwein hat mich einfach stehenlassen. Mitten auf einer Vernissage!«
»Erzähl mal von Anfang an!« Greta sah so sensationsgeil aus, wie ich sie gar nicht kannte.
»Also …«, fing ich an, kam aber nicht weiter, weil ein derart greller Schmerz durch meinen Kopf zuckte, daß ich mich einfach nur auf den Küchenstuhl sinken lassen konnte.
»Was ist?«
»Bitte! Ein Aspirin!«
Greta stand auf, suchte eine Weile in den Schränken herum, bis sie eine Tablette gefunden hatte. Sie warf sie in ein Glas und hielt es unter den Wasserhahn.
»Dieser Typ spielt ein ganz mieses Spiel mit mir. Entweder hat er einen Dachschaden, oder er fährt eine ganz besonders raffinierte Taktik. Erst kommt er nicht pünktlich, dann macht er einen mit der dämlichsten aller Anmachen scharf, und am Ende läßt er einen wie ein zu heißes Brathähnchen fallen …« Ich trank das Glas auf ex.
»Kann das nicht auch ein Zufall sein?«
»Ich glaube nicht an Zufälle. Schon gar nicht, wenn es um Männer geht.« Ich sah Greta flehend an. »Hast du nicht was Süßes?«
Greta erhob sich wieder und ging vor dem Küchenschrank auf die Knie, um erst mal sämtliche Töpfe auszuräumen.
»Ich will doch nur was Süßes«, sagte ich schwach. »Und hinterher die Salami.«
Keine Antwort. Dann warf Greta mir einen zerdetschten Schokoriegel zu.
»Wieso vegetiert der hinter den Töpfen?« fragte ich einigermaßen verdutzt.
»Weil ich ihn sonst auffresse.«
»Na und?«
Daß Greta sich durch Schokoriegel-Verstecken zu disziplinieren versuchte, war ja wohl ein völlig neuer Tick von ihr. Jedenfalls hatte ich in all den Jahren unserer Freundschaft nichts dergleichen bei ihr erlebt.
»Schwanger?« fragte ich. Es war nur eine rhetorische Frage, aber Greta wurde deutlich bleicher, so daß ich annehmen konnte, mitten ins Wespennest gestochen zu haben.
»Ich weiß nicht …«, stammelte sie und begann, auf ihren Nägeln herumzuknabbern. »Eigentlich wollte ich gerade in die Apotheke, um mir einen Test zu holen.« Mit voller Wucht riß sie einen Nagel ab und schleuderte dabei den Kopf herum, wie es wilde Tiere taten, wenn sie ihre Beute schon im Maul hatten, ihr aber noch dasGenick brechen mußten. Langsam quoll ein dicker Tropfen Blut hervor. Greta nahm ihren Finger in den Mund und lutschte ihn ab. »Scheiße!« fluchte sie.
»Also, wenn ich wirklich schwanger bin …« Sie stockte. »Micha darf auf keinen Fall was mitkriegen.«
»Nun wart doch erst mal ab.« Mir war es absolut schleierhaft, wieso Frauen schwanger wurden, die es zum einen nicht wollten und zum anderen sowieso nicht mehr mit ihren Männern ins Bett gingen. Also fragte ich Greta, wie sie denn überhaupt zu ihrer Vermutung komme.
»Einmal ohne Kondom gepennt. So ziemlich nach der Regel.«
Selbst schuld, dachte ich und bot ihr an, schnell einen Test zu besorgen.
Greta nickte mit einem Haufen Sorgenfalten auf der Stirn.
Draußen war es gewittrig-schwül. Ich rannte einmal um die Ecke, rein in die nächste Apotheke, war so aufgeregt, als ginge es um meinen eigenen Bauch und Kopf und Kragen. Der Schokoriegel war mittlerweile in meinem Magen verschwunden, und die Probleme mit Jan hatten sich fast in Luft aufgelöst.
Als ich zurückkam, hielt
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