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Lipstick

Lipstick

Titel: Lipstick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fuelscher
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Greta ihr Mäxchen auf dem Arm und rührte in einem Topf mit Tomatensuppe.
    »Du ißt doch auch einen Teller mit? Die Salami schneide ich dir rein, wenn du willst.«
    Wie konnte Greta nur auf einmal so ruhig sein? Ihr Leben war ein Trümmerhaufen, und dennoch machte sie den Eindruck, als ginge es in den nächsten Minuten tatsächlich nur um Tomatensuppe mit Fenchelsalamiresten.
    »Wie funktioniert das Teil?« fragte ich mehr mich selbst.
    Greta lud Mäxchen auf dem Boden ab und holte zwei Suppenschalen aus dem Küchenschrank. Ich las derweil den Waschzettel durch. Auf das Testfeld pinkeln, zehn Sekunden lang, welcher Mensch schaffte das im Normalfall? Ich deponierte den Test auf dem Küchentisch. Jan-Bilder zogen auf einmal durch meinen Kopf. Die kleine Narbe auf seiner Stirn, die manchmal von einer Falte verschluckt wurde. Dann die bläßliche Farbe seiner Lippen … Wie er wohl im Bett war? Leidenschaft oder Leipziger Allerlei?Und dann? Vielleicht würde auch ich eines Tages in irgendeiner Küche hocken und überlegen, auf welchen Teil des Plastikgebildes ich nun pinkeln sollte, auf den vorderen, auf die kleine Vertiefung in der Mitte oder etwa auf den Griff? Das hatten wir doch alle nicht verdient! Der kleine Tod, bestenfalls, und dann rackerte man sich mit zwanzig Mark teuren Urinbenetzungsgeräten ab!
    »Du solltest erst einen Liter Suppe schlürfen, sonst schaffst du das nie mit den zehn Sekunden.«
    »Zeig mal.« Greta las sich ebenfalls den Beipackzettel durch und meinte, das mit den zehn Sekunden müsse man ja wohl nicht so eng sehen. Wir fingen an zu essen – Suppe ohne Salamireste –, aber Greta verschwand nach den ersten Löffeln ohne ein Wort, kam kurz darauf fluchend und mit dem Schwangerschaftstest in der Hand zurück.
    »Scheiß Ding! Funktioniert doch gar nicht!«
    »Hast du zehn Sekunden …?«
    »Ach! Allerhöchstens drei!«
    Ich fing an zu lachen, als ich das Testgerät in die Hand nahm. Irgendwie färbten sich alle möglichen Stellen rosa, aber nicht diejenigen, die etwas über Gretas Zukunft aussagen sollten.
    »Mist!« Sie riß mir das Teil aus der Hand und pfefferte es zurück in die Pappschachtel, aß dann ganz normal weiter. »Reden wir einfach nicht mehr drüber.«
    »Hör mal, du willst doch wissen, ob du schwanger bist.«
    »Ich hab das Gefühl, daß ich’s nicht bin. Wahrscheinlich würde mein Körper gar keinen Micha-Samen mehr zulassen.«
    »So schlimm?«
    Sie nickte, saß auf einmal wie ein kleines Häufchen Mädchen mit Tränen in den Augen da. Ich nahm sie in den Arm. Warum tat sie eigentlich immer so stark, wo sie doch auch nur ein Würmchen wie wir alle war. Ihre Ehe funktionierte nicht mehr, aber trotzdem klammerte sie sich daran wie ein Äffchen an die Schimpansenmutter. Ebenso Micha. Der wollte diesen untragbaren Zustand sogar noch durch ein zweites Kind aufpeppen. So dümpelten beide vor sich hin und unternahmen nichts in Sachen Trennung, obwohl es bestimmt die bessere Lösung gewesen wäre. Greta konnte ich janoch verstehen. Existenzsängste. Was wird, wenn ich allein mit dem Kind dastehe … Was wurde, wenn sie mit zwei Kindern und diesem Mann dastand? Dann dachte ich an mein Männerpanoptikum und fand, daß ich im Grunde auch nicht wesentlich entschlußkräftiger war.
    Tom saß in unserem sogenannten Gemeinschaftszimmer, sprich Wohnzimmer, und sah fern.
    »War sie schön, deine U-Bahn-Fahrt?«
    »Wunderschön.« Ich nickte dabei, und während ich im Flur meine Strickjacke auszog, schaute ich auf die Uhr. Seit ich mich bei Greta auf den Weg gemacht hatte, war ich noch eine ganze Stunde unterwegs gewesen, ich war kreuz und quer durch die Stadt gefahren, hatte mir U-Bahn-Schächte angeschaut, die schönsten auf eine imaginäre Liste gesetzt, ich hatte aus dem Fenster gesehen und ins Dunkel gestarrt, und vielleicht war es gut, weil sich etwas in mir entschieden hatte.
    »Hast du schon gegessen?« fragte ich Tom.
    »Nein. Soll ich uns Pizza bestellen?«
    Aber bevor ich etwas antworten konnte, war Tom war bereits aufgesprungen und rannte zum Telefon. Keine weiteren Fragen. Eine halbe Stunde später saßen wir, die Beine ineinander verschlungen, auf dem Sofa, futterten Pizzastücke aus der Hand und schalteten uns abwechselnd durch die Kanäle.
    Die Ruhe nach einem halben Sturm. Ich fühlte mich wohl, geborgen, das leichte Flimmern auf der Oberfläche des Fernsehers hatte etwas beinahe Einschläferndes.
    »Was ist denn mit deiner Arbeit?«
    »Ach je!« Siedendheiß fielen mir

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