Lipstick
immer noch genervt die Augen, während ich meine Beine fest in den Boden schraubte und rhythmisch mein Becken bewegte. So ging der Abend irgendwie rum. Sekt trinken, ein bißchen quatschen, ein bißchen tanzen. Später verausgabte sich auch Katharina auf der Tanzfläche. Sie war nicht schlecht, wir lächelten uns an, Greta kam hinzu, und unter anderen Voraussetzungen hätte es mir an nichts gefehlt. Ich trank mir einen Dusel in den Kopf, Sekt und Wein und Wodka durcheinander, und gegen halb drei bot sich Hans an, mich nach Hause zu fahren.
»Du willst mich doch nur abschleppen«, faselte ich.
Einige Leute hatten es gehört und guckten zu uns rüber, aber mir kam das alles völlig normal vor. Hans drehte sich um, ging quer durch den Raum.
»Kannst dir auch ein Taxi nehmen«, sagte er, und schon war er auf dem Flur. Katharina und Jan saßen händchenhaltend auf dem Sofa, das war alles, was ich noch wahrnahm, bevor ich von einer plötzlichen Übelkeit gebeutelt nach draußen aufs Klo stürzte. Ich kotzte mir fast die Seele aus dem Leib, und als ich wieder die Tür öffnete, standen Greta und Micha und Jan und Katharina und eine ganze Reihe anderer Menschen Spalier.
»Süße!« Greta strich mir besorgt über die Stirn. »Hast du zuviel getrunken?«
Ich antwortete nicht und drehte mich nach Hans um, der tatsächlich noch abwartend an der Haustür stand. Ich sah ihn bittend an, sagte aber keinen Ton.
»Etwa eine Gratisfahrt nach Hause?« fragte er so leise, daß es niemand mitbekam. »Womit habe ich das denn verdient?«
»Bitte«, erwiderte ich ebenso leise und wahrscheinlich ziemlich jämmerlich.
Mechanisch reichte ich Jan und Micha die Hand, Greta nahm mich in den Arm, Katharina ebenfalls, und während ich noch dachte, jetzt riecht sie ihn, den Geruch ihres Mannes, drückte sie mich ganz fest an sich. Vielleicht mochte sie mich wirklich.
Sie hatte sich wunderbar angefühlt und allemal leckerer als ihr Mann gerochen, aber gut – ich hatte es ja nicht mit Frauen. Andererseits – warum eigentlich nicht? Schließlich würde es sozusagen in der Familie bleiben, und während ich immer noch beschwipst meinen Gedanken nachhing, fuhr Hans Richtung Eimsbüttel, was ich jedoch erst mitkriegte, als er sein Auto in seiner Straße parkte.
»Was soll das?«
»Ich paß heute nacht auf dich auf.« Er sagte das zärtlich, kein bißchen besitzergreifend, und da ich sowieso nicht ganz klar im Kopf war, hatte ich auch keine große Lust, mich zu wehren. Dann war Hans eben mein neuer Tom: Lakai, und wenn ich unglücklich verliebt war, auch Seelentröster. Vielleicht konnte er gut Kaffee kochen, das Geschirr abwaschen und mich in Notzeiten vögeln.
Ohne die üblichen Zahnputz- und Abschminkaktionen hüpfte ich ins Bett und preßte mich an Hans. Auf der Stelle fiel ich in einen wirren Schlaf, in dem Katharinas und Jans mit Dildos herumfuchtelten, mir ihre Zungen rausstreckten und Mäxchen dazu brachten, daß er obszöne Dinge sagte.
Der Morgen danach entschied: Hans war Kavalier erster Schule. Er klapperte und ackerte in der Küche herum, und noch bevor ich auch nur ein verklebtes Auge geöffnet hatte, stand ein perfektes Frühstück auf einem ebenso perfekt rot-weiß gepunkteten Tablett vor meiner Nase.
»Geht’s dir besser?«
»Wieso besser?«
Ich richtete mich auf, mußte meine Gedanken erst mal in normale Bahnen lenken. War es mir jemals schlechtgegangen? Und was hatte ich hier in dieser Blümchenbettwäsche zu suchen, die nach einem Hans roch, der mir in dieser Situation so fremd war?
Erst nach einer halben Tasse Kaffee fiel mir ein, daß es eine Fete gegeben hatte, ich sah wieder Katharinas Lachen vor mir und Jan in seiner albernen Hockstellung.
»Appetit?«
»Bärenhunger.«
Es war die Wahrheit. Hunger auf Brötchen und Käse und auf ein Leben, das nicht so vermurkst war wie das, was ich zur Zeit führte. Ein bißchen Normalität – ich hätte einiges drum gegeben. Morgens neben einem Mann aufwachen, einfach seine Wärme fühlen und denken, es ist gut so, wie es ist. Bisher war ich hektisch durchs Leben gerannt, hatte einen Termin nach dem anderen abgehakt, Lover verschlissen, Sekt auf Partys getrunken, und wenn ich scharf mit mir ins Gericht ging, suchte ich vielleicht nur einen Tom, dessen Verfallsdatum noch nicht abgelaufen war und der einiges mehr zu bieten hatte, als mich mit spitzknieigen Ritas zu betrügen.
Also konnte ich doch auch genausogut mit einem wie Hans vorliebnehmen. Immerhin riß er sich alle
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