Lisa geht zum Teufel (German Edition)
befreit, aber entspannt. »Ich war mit dir auch sehr glücklich«, sagte er ohne Bitterkeit, und Lisa spürte, dass sich in ihr etwas Entscheidendes veränderte. Zum ersten Mal seit ihrer Trennung hielt sie es für möglich, ihm eines Tages verzeihen zu können. Dass sie immer noch nicht den Mut hatte, ihm die ganze Wahrheit zu sagen, war jedoch unverzeihlich.
Yolanda war ein richtiger Lenkradbeißer, aber kein klassischer. Dieser Typus saß normalerweise möglichst dicht am Lenkrad, klammerte sich verkrampft an diesem fest und fuhr nicht nur besonders umsichtig, sondern auch noch verkehrsgefährdend langsam und unsicher. Umso erstaunter war Delia, dass sie die Strecke von Marbella nach Jerez in nur zwei Stunden zurückgelegt hatten – mit röhrendem Motor, was Luke dazu veranlasst hatte, seine Oma zu fragen, ob das Auto nicht kaputtgehen würde. Der angerostete SEAT hatte durchgehalten und tuckerte nun von der Schnellstraße zum Zubringer, der direkt zu Felipes Hazienda führte.
»Meinst du, Felipe lässt mich reiten?«, fragte Luke ganz aufgeregt.
»Natürlich, mein Kleiner«, sagte Yolanda.
So wie sich Luke auf Felipe freute und auch schon während der Anfahrt von gemeinsamen Ausritten geschwärmt hatte, musste Lisas Ex ja doch ein ganz netter Mann sein. Es wurde immer kurioser. Der Größe seines Anwesens nach zu urteilen, musste er stinkreich sein. Der Zaun, den sie passierten, verlief bis zu einem Hügel am Horizont und musste noch weiter reichen, weil er nicht abzweigte und keine weitere Begrenzung in Sicht war. Eine Herde edler Pferderassen, die Delia von Vorführungen der Reitschulen her kannte, Apfelschimmel, graugescheckte Andalusier und Kartäuser, graste auf einer Koppel, die bis zu seiner Hazienda reichte. Was für ein imposantes Steinhaus mitten auf einem Hügel. Noch viel beeindruckender aber waren die Gärten, die sich offenbarten, als sie den Innenhof des Gebäudes erreichten – richtig hochherrschaftlich. Einige Hecken waren, wie man es von Schlössern kannte, zu Skulpturen geschnitten, die zwischen Palmenhainen und einem zentralen Bewässerungssystem am Wegrand wie Kunstexponate glänzten. Mannshohe Rosensträucher erinnerten Delia an prächtige Kalifengärten, wie man sie in Granada oder Jerez vorfand. Vereinzelte Gäste flanierten durch die Anlage. Nur die moderne Kleidung der Spaziergänger machte klar, dass sie nicht in einem historischen Film gelandet war, der in der Zeit spielte, als Spanien noch die halbe Welt regierte. Niemand nahm Notiz von ihnen. Auf diesem weitläufigen Gelände mussten sie vermutlich erst einmal nach Lisa suchen. Doch da täuschte sie sich.
»Da drüben sind Felipe und Lisa«, freute sich Luke und deutete in Richtung der Koppel, um die einige Tische mit Bestuhlung aufgestellt waren. Delia traute ihren Augen kaum. Lisa saß an Felipes Tisch, sie waren zu zweit, fast so, als seien sie ein Paar. Und wie es aussah, unterhielten sie sich rege. Sollte sie da jetzt stören?
»Darf ich zu Felipe? Vielleicht können wir reiten«, sagte Luke aufgeregt.
»Ich glaube nicht, dass er im Moment Zeit dafür hat«, entgegnete Yolanda.
»Aber er hat’s versprochen«, quengelte Luke.
»Na gut, geh schon und frag ihn«, sagte Yolanda, und Luke lief sofort durch einen der Torbogen.
»Sag Lisa bitte nicht, dass ich hier bin«, bat Delia Yolanda.
»Was willst du machen? Dich verstecken?«, gab Yolanda spöttisch zurück.
Noch bevor sie sich weitere Gedanken darüber machen konnte, hatte Lisa sie auch schon entdeckt, was sie Luke zu verdanken hatten, der wild in Richtung seiner Großmutter gestikulierte. Die Überraschung war ihr auch aus der Distanz anzumerken. Dass sie sich gleich an Felipe wandte, konnte nur heißen, dass Lisa sie als »seine« Freundin vorstellte. Je früher sie es hinter sich brachte, desto besser. Letztlich würde sie Lisa vor einem großen Fehler bewahren. Also: Augen zu und durch!
Lisa konnte immer noch nicht glauben, dass Delia hier war. Ganz schön dreist. Um sich zu entschuldigen? Sicher nicht. Es musste einen gewichtigen Grund geben. Ging es etwa um Rafael? War ihm irgendetwas passiert? Dass Felipe sie noch nie im Leben gesehen hatte, wie er ihr erneut versichert hatte, glaubte sie ihm nun. Sein Blick war viel zu neugierig. Umso erstaunlicher war aber, wie vertraut Luke mit Felipe umging. Ihn auf seinem Schoß sitzen zu sehen, als ob er sein eigener Sohn wäre, hatte etwas äußerst Befremdliches und passte so gar nicht in das Bild, das sie bisher
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