Lisa geht zum Teufel (German Edition)
geantwortet und hoffte, dass er ihren Rat befolgen würde.
»Gut, dann sehen wir uns am Freitag«, sagte Anne und leerte ihr Glas. Lisa blickte auf die Uhr. Die Mittagspause war um, und da sie Unpünktlichkeit auch bei anderen nicht sonderlich schätzte, war es Zeit zu gehen. Anne geleitete sie hinaus in den Flur. Da war er wieder, der Monsterspiegel, der nur dazu da war, Annes Kundinnen dazu zu bringen, sich die Gretchenfrage zu stellen. Lisa blickte gelassen hinein und war zufrieden mit dem, was sie sah. Spieglein, Spieglein …, dachte sie. Der alte Spruch auf Annes Broschüren. Weißt du was? Mir ist es so was von egal, wer die Schönste im ganzen Land ist, raunte sie dem Spiegel in Gedanken zu, und dabei zeigte sich ein Lächeln auf ihren Zügen, das den Spiegel auf einmal richtig unscheinbar und klein erschienen ließ.
Leseprobe
[…]
Schon als sie von der Stadtautobahn in Richtung Meer zur Promenade des Anglais abbogen und Emma den süßlich-frischen Piniengeruch durch das geöffnete Fahrerfenster wahrnahm, besserte sich ihre Laune. Französisches Flair partout und in jeder Seitenstraße, an der sie vorbeifuhren das gleiche Bild: der kleine Tabakladen, vor dem sich ein paar Einheimische versammelt hatten und mit Sicherheit über die Neuigkeiten aus dem Viertel plauderten, ein gutbesuchtes studentisches Bistro und gleich daneben ein edles Restaurant mit Geschäftsleuten, aber auch älteren Paaren, die die großartige französische Küche genossen. Emma lief beim Anblick der Meeresfrüchte und Fischgerichte, die verführerisch drapiert auf den Tellern lagen, sofort das Wasser im Mund zusammen. Junge verliebte Pärchen, Studenten wie ihre Lilly, schlenderten an ihnen vorbei. Eine ältere, aber äußerst attraktiv gekleidete Dame ging mit ihrem Hund spazieren. Touristen streiften durch die Gässchen der Altstadt. Das war das Nizza, das sie kannte. Was für ein schönes Jahr hatte sie hier verbracht. Die Erinnerungen an ihre Studienzeit klebten an jedem Stein. Vermutlich studierte Lilly deshalb hier, weil Emma ihr des Öfteren von ihrem großartigen Studentenleben an der Côte d’Azur erzählt hatte. Georg kannte Nizza nur von einigen Besuchen, aber auch ihm schien es zu gefallen.
»Herrlich, diese Luft«, bemerkte er, als sie Nizzas Prachtstraße erreichten, die am Strand entlangführte und mit einem Luxushotel nach dem anderen protzte. Er schien sich also wieder beruhigt zu haben … Aber warum lächelte er so geheimnisvoll, als sie in die Zufahrt eines edlen Hotels abbogen? Wieso hielten sie ausgerechnet hier? Das Negresco war sicherlich eines der schönsten Hotels am Platz, aber wahrscheinlich auch das teuerste. Er hatte doch nicht etwa ausgerechnet hier ein Zimmer gebucht?
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte sie und sah ihn fragend an.
»Doch!«, erwiderte er knapp.
Ein paar hundert Euro pro Nacht würden flöten gehen – mindestens. Dagegen war ja nichts einzuwenden, wenn man aus Entenhausen kam und über einen gutgefüllten Geldspeicher verfügte. Hatte Georg etwa vergessen, dass ihre Konten so gut wie leer geräumt waren und sie sich so etwas beim besten Willen nicht leisten konnten?
»Das Hotel vom letzten Mal hätte es doch auch getan«, merkte sie noch an, doch zu spät. Schon hievten Gepäckträger in Uniform ihre Koffer aus dem Wagen. Für diese Eskapade hatte sie also in den letzten zwei Monaten auf den Einkauf im Feinkostladen zugunsten eines Discounters verzichtet. War Georg etwa immer noch nicht richtig klar, dass sie kurz vor der Pleite standen? Hatte er ihr wieder einmal nicht zugehört? Gut, sie war für die Buchhaltung zuständig. Er kümmerte sich um die Außenkontakte und wickelte die Projekte ab, aber er musste doch mitbekommen haben, dass zwei ihrer Kunden in Konkurs gegangen waren und ein Auftrag geplatzt war.
»Ist doch schön hier. Genieß es.« Georgs Tonfall war ihr zu lapidar, und die lässige Art, wie er die Fassade des Hotels bewunderte und dem Pagen nonchalant gleich zehn Euro Trinkgeld in die Hand drückte, hatte etwas Großkotziges.
»Du hättest das mit mir absprechen können.«
»Ich wollte dich überraschen.«
»Georg, wir können uns das nicht leisten«, protestierte sie.
»Jetzt dramatisier nicht schon wieder. Du musst immer alles zerreden!« Georgs Anspannung stieg sichtlich, was Emma ziemlich wütend machte. Er nahm sie einfach nicht ernst.
»Das sind die Studiengebühren für Lilly, die wir hier verprassen!«, setzte sie nach. Apropos Lilly. Emma
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