Lisa geht zum Teufel (German Edition)
solche Angst … Die Ärzte … sie waren sich einig … Es hätte mir auch so ergehen können … Ich hätte dich nicht glücklich machen können, Felipe«, erklärte sie, bevor sie für einen Moment förmlich in sich zusammensank. »Verstehst du, Felipe? Ich hab mich nur von dir getrennt, weil ich wusste, dass ich dir keine Kinder schenken kann.«
Felipe lehnte sich zurück. Ein ganzer Strom von Erinnerungen an das letzte Jahr, bevor sie sich getrennt hatten, setzte ein. Seine Arztbesuche, penible Fertilitätsuntersuchungen, ihr krampfhaftes Bemühen, schwanger zu werden, Sex nach Zeitplan, nach dem Thermometer, die vielen Ausreden, die sie ihm präsentierte. Jetzt war ihm klar, warum sie ihm so oft vorgeschlagen hatte, über eine Adoption nachzudenken, was er aber abgelehnt hatte.
»Warum hast du mir das nicht viel früher gesagt?«, fragte er so einfühlsam und sanft, wie es die Situation und Lisas Zustand erforderten.
Auch wenn es Lisa schwerfiel, richtete sie sich auf und blickte ihm in die Augen. »Du hast mir nicht mehr zugehört«, sagte sie.
Felipe versuchte, sich an den Alltag in den letzten Jahren ihrer Ehe zu erinnern: volle Auftragsbücher, Immobilienboom. Es ging ihnen gut. Zu viel Arbeit, zu viel Verantwortung, kurz vor dem Ziel. Ein Konkurrent weg vom Markt. Die Pferdezucht florierte. Er würde es schaffen, ganz nach oben zu kommen. Keine Zeit fürs Privatleben. Keine Zeit für seine Frau, deren biologische Uhr angefangen hatte zu ticken. Ein Erbe musste her. Das, was sie sagte, war niederschmetternd, und es wurde noch schlimmer, als sie fortfuhr.
»Wenn man jemanden liebt, dann möchte man, dass er glücklich wird. Verstehst du?«, sagte Lisa.
Felipe verstand nur zu gut, und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr schämte er sich, ihr nicht das Gefühl gegeben zu haben, dass sie sich ihm anvertrauen konnte. Er hatte zu viel verlangt, genau wie er von seinem Sohn zu viel verlangt hatte. Lisa hatte sich von ihm getrennt, weil sie Angst hatte, dass er sie fallenlassen würde. Endlich hatte er die Antwort auf die Frage, die ihn so viele Jahre beschäftigt hatte. Kein Liebhaber, keiner der vielen abwegigen Gründe, die er sich zurechtgelegt hatte, um jedwede Schuld von sich zu weisen.
»Eigentlich wollte ich schon heute Morgen abreisen, aber irgendwas hielt mich hier. Jetzt weiß ich, was es war«, sagte Lisa nachdenklich.
»Mir das jetzt zu sagen. Dazu gehört jede Menge Mut«, sagte er und fragte sich gleichzeitig, ob er wirklich so ein Scheusal gewesen war. Die Antwort lag auf der Hand. Sie lautete: Ja. Er hatte diese großartige Frau verloren, weil er viel zu sehr mit seinem Leben beschäftigt gewesen war. Endlich war es auf dem Tisch. Viel zu spät! Felipe tastete nach Lisas Hand, hielt sie fest, wenigstens jetzt wollte er an ihrer Seite stehen. Lisa ergriff sie zunächst dankbar, doch kaum hatten sich ihre Hände berührt, ließ die Intensität ihres Händedrucks nach. Sie sah ihn an und schien etwas zu überlegen, was in keiner Verbindung zu dem stand, worüber sie gerade gesprochen hatten. Etwas ging in ihr vor. Lisas Blick richtete sich in die Ferne. Wenn er nur wüsste, woran sie gerade dachte.
Felipes Hand war kräftig und warm. Er konnte, wie sich Lisa erinnerte, sehr zärtlich sein, aber auch sehr fordernd. Lisa kannte die ganze Palette dieser Gefühle, und wenn es nur bei einem Schlendern im Park war, Hand in Hand, als sie noch frisch ineinander verliebt gewesen waren. Seine Hand war jetzt wieder für sie da, gab ihr Halt. Doch obwohl ihre beiden Hände für einen Augenblick fest ineinander verschränkt waren, erzeugte das keine Verbindung, wie sie sie bei Rafael gespürt hatte. Es floss keine Energie, kein Gefühl wohligen Kribbelns, kein warmer Strom, der zugleich belebte und beruhigte. Sie waren nie eins geworden, noch nicht einmal, als sie miteinander geschlafen hatten. Sie waren schon in der Zeit ihrer Ehe und davor lediglich zwei Körper gewesen, die sich innig berührt, aber nie zueinander gefunden hatten, als ob irgendein Teil des Puzzles sich nicht hatte einfügen wollen. Dabei war Felipe doch der perfekte Mann gewesen. Ihre Idealvorstellung, genau wie all die anderen perfekten »Deckel« für ihren »Topf«, doch wie konnte ein Deckel überhaupt passen, wenn man gar nicht der Topf war, der man vorgab zu sein? Der Topf war nicht perfekt, hatte zu viele Ecken und Kanten. Er trug ein Geheimnis in sich, das sich nicht mehr länger hatte verbergen lassen. Wie konnte eine
Weitere Kostenlose Bücher