Lisa geht zum Teufel (German Edition)
gefallen war. Rafaels ursprünglicher Plan, Roberta als Stoffbeschwerer einzusetzen, war leider mehrfach fehlgeschlagen, doch zu zweit hatten sie es doch noch geschafft.
Jetzt saß Roberta neben ihm auf dem Beifahrersitz und rekelte sich auf ihrer Decke. Das Gehupe um sie herum, das man sonst nur von Siegen nach Fußballendspielen kannte und gelegentlich hörte, wenn Frischvermählte mit ihrer Limousine durch die Stadt unterwegs waren, schien sie nicht im Geringsten zu stören. Ihn schon! Zwar riefen ihm alle möglichen Leute ausschließlich nette Bemerkungen zu, vor allem die jungen Madrilenen, die von seiner Aktion sichtlich begeistert waren, aber stellenweise verursachten die Schaulustigen kleinere Staus, und ausgerechnet an der Kreuzung, die zu Carmens Viertel führte, herrschte regelrechtes Verkehrschaos. Rafael schwitzte Blut und Wasser. Hoffentlich wurde nicht die Polizei auf ihn aufmerksam. Ohne Führerschein und in einem nagelneuen Wagen mit Schleife würde er sicher in Erklärungsnot geraten, wenn nicht sogar in ernste Schwierigkeiten. Dass um kurz vor sechs am Morgen schon so viel in der Stadt los war, überraschte ihn. Rafael hoffte, dass Carmen vor sieben nicht auf den Beinen war und noch friedlich in ihrem Bett schlummerte. Angesichts des inzwischen doch regen Gewimmels auf den Gehsteigen wurde er trotzdem unruhig. Was, wenn sie verreist war oder einen Job angenommen hatte, der es erforderte, sehr früh aufzustehen? Sich den ganzen Tag in seinem Stammcafé zu verstecken, um auf sie zu warten, würde ihm den letzten Nerv rauben, mal ganz abgesehen davon, dass der pinkfarbene Mini inmitten eines ärmeren Viertels auffallen würde. Rafael malte sich bereits aus, dass irgendwelche Jugendlichen sich an ihm zu schaffen machen könnten. Er wurde immer nervöser, und sein Puls beschleunigte sich noch mal, als er in ihre Straße einbog. Rafael dankte der Muttergottes, als er einen freien Parkplatz wenige Meter vor Carmens Haus erspähte. Rückwärtsgang rein und einparken. Rafael holte erst mal tief Luft. Roberta streckte sich. Schon kamen die ersten Passanten, zwei Hausfrauen, eine Rentnerin und eine Mutter mit zwei Kindern, um das pinkfarbene Etwas, das sich in ihrem Viertel verirrt haben musste, zu begutachten. Ein kleiner, etwa sieben Jahre alter Junge, der einen Schulranzen auf dem Rücken trug, klopfte an das Fenster der Fahrerseite und schaute ihn aus großen Augen an.
»Das ist aber ein tolles Auto«, schwärmte er.
Rafael ließ die Scheibe herunter.
»Ist das ein Geschenk?«, fragte das aufgeweckte Kerlchen.
In diesem Moment fiel Rafael die Lösung seines Problems ein. Eines war klar. Er würde nicht die Nerven haben, hier ewig zu warten. Delia, die er in seinen Plan bis ins Detail eingeweiht hatte, war sich zwar genau wie er sicher gewesen, dass seine Tochter den Wagen wahrscheinlich spätestens um acht oder neun sehen würde, doch Pläne dieser Art konnten auch schiefgehen. Vielleicht doch noch mal sicherheitshalber in einem Stoßgebet die Jungfrau Maria bemühen? Oder doch lieber den Jungen?
»Hast du Lust, dir fünf Euro zu verdienen?«, fragte er ihn geradeheraus und wusste, dass die Frage rein rhetorischer Natur war. Spätestens seit der Feria wusste er, dass man bei Jungs in dem Alter mit fünf Euro auf die Hand punkten konnte.
»Klar«, erwiderte der Junge.
Hoffentlich bekam niemand die Aktion mit. Wenn ein Mann mit Katze in einem pinkfarbenen Wagen einem Minderjährigen fünf Euro gab, konnte man sonst was denken. Rafael sah sich um. Niemand schien im Moment Notiz von ihnen zu nehmen.
»Hör zu. Du musst dafür nur bei Martinez klingeln, wenn ich weg bin. Ich sitze dort drüben im Café und möchte meine Tochter mit dem Wagen überraschen.«
»Tolle Idee«, sagte der Junge und hielt auch schon die Hand auf. Rafael gab ihm fünf Euro, die der Kleine sofort in der Hosentasche verschwinden ließ. Er sah ehrlich aus, so dass Rafael nicht damit rechnete, die Investition umsonst getätigt zu haben. Er schnappte sich Roberta und stieg aus. Erst jetzt wurde der Junge auf die Katze aufmerksam.
»Darf ich die mal streicheln?«, bat er.
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit«, erwiderte Rafael. »Warte eine Minute, bevor du klingelst, okay?«
Der Kleine nickte und sah ihm hinterher, bis er das Café erreicht hatte. Kurz darauf nahm Rafael an seinem angestammten Tisch neben der großen Palme, die einen gewissen Schutz vor Blicken von draußen gewährte, Platz. Roberta saß zu seinen Füßen.
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