Lisa geht zum Teufel (German Edition)
Informationen entgingen. Die Stimmen kamen entweder aus dem dritten oder vierten Gang. Claudia hatte bereits eine Schreckensstarre erfasst. Auch sie lauschte regungslos.
»Das ist sowieso eine Schnapsidee. Und wenn sie allergisch ist?«, hörte sie Rafael fragen.
»Quatsch. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand diese Art von Allergie hat, liegt quasi bei null. Wir reden ja hier nicht von Heuschnupfen.«
»Ich bin auch allergisch«, hörte sie Rafael sagen.
»Das glaubst du doch selbst nicht. Gegen was denn?«
»Zimt! Ich krieg dann kaum noch Luft.« Rafaels Achillesferse musste sich Lisa unbedingt merken.
»Verdammt, wo sind die?«, flüsterte Claudia, der die Anspannung ins Gesicht geschrieben war.
Lisa sah die IKEA-Tüte zuerst. Ausgerechnet jetzt versperrten ihr zwei nahende Einkaufswagen, an denen auch noch zwei nölende übergewichtige Kinder hingen, den Fluchtweg. Sie würde auffliegen. Es gab nur noch einen Weg. Kopfüber ins ewige Eis. Jetzt!
»Hier gibt’s nur Tiefkühlkost«, stellte Rafael gerade fest.
Bitte, lieber Gott, mach, dass ich hier lebend rauskomme, betete Lisa. Ihre Fingerspitzen fühlten sich bereits ziemlich eingefroren an, und die Kälte kletterte langsam hoch zu ihren Schläfen. Was mussten sich Delia und Rafael nur denken, eine Frau kopfüber in der Kühltruhe stecken zu sehen? Gott sei Dank war Claudia schlagfertig genug, um die gegenwärtig etwas prekäre Situation ihrer Freundin glaubwürdig zu erklären.
»Helga. Wenn ich es dir doch sage, die haben hier kein Eis mit ganzen Himbeerstücken. Das gibt’s nur in Deutschland.«
Lisa begriff, dass die beiden nun in ihrer unmittelbaren Nähe sein mussten.
»Die Deutschen. Die haben doch ’ne Macke. Sind hier in Spanien und wollen immer nur ihren deutschen Fraß«, lästerte Delia auf Spanisch. »Wenn jemand schon Helga heißt. Helga, die Eisprinzessin«, amüsierte sich Rafael unüberhörbar und gackerte wie ein Huhn.
Aus Lisa war also »Helga, la princesa de hielo« geworden, und Helga musste weiter in der eiskalten Truhe wühlen, um Claudias Spiel glaubhaft zu machen und nicht am Ende doch noch aufzufliegen. Hauptsache, der Kopf war auf Tauchstation. So musste sich der Messner im ewigen Eis auch gefühlt haben, nur hatte der Handschuhe und eine Fellmütze dabeigehabt.
»Komm. Da vorn gibt’s eine Apotheke. Zumindest haben wir genug Milch«, hörte sie Delia sagen und wühlte fleißig weiter. Urlaub kopfüber in einer Gefriertruhe. Öfter mal was Neues. Fuhr man nicht der Wärme wegen nach Spanien? Und wem hatte sie das alles zu verdanken? Ihrem verfluchten Exmann.
»Helga. Du kannst aufhören, nach dem Himbeereis zu suchen! Sie laufen zum Ausgang«, vernahm sie Claudias Stimme. Für die Art, wie ihre Freundin »Helga« auch noch genüsslich betonte, hätte sie eine Ladung Eisschnee verdient. Der klebte sowieso schon an Lisas Händen.
Entwarnung! Lisa stemmte sich mit schmerzendem Rücken hoch und hielt Claudia mit steifen blauroten Fingern, die mittlerweile nach Gicht im Endstadium aussahen, ihr gottverdammtes Fruchteis hin, das sie eben doch noch im letzten Winkel der Truhe gefunden hatte. Wenigstens dafür hatte sich der Ausflug in die Antarktis gelohnt.
»Nenn mich nie wieder Helga!«, zischte Lisa und stellte zugleich erleichtert fest, dass der blaue Zipfel einer IKEA-Tüte eben am Ausgang entschwand.
Kapitel 5
Normalerweise war Lisa guten Ratschlägen äußerst zugänglich, vor allem wenn sie logisch fundiert und vernünftig waren. Was sie sich von ihren Freunden während eines kleinen Kriegsrats in einem Café gleich in der Nähe des Supermarkts und auf der Rückfahrt zu ihrem Haus alles hatte anhören dürfen, machte sie aber nur noch wütender, auch wenn sie wusste, dass es alle gut mit ihr meinten. Es waren nicht die mitleidigen Blicke, sondern der Umstand, dass keiner von ihren Freunden auch nur die geringste Ahnung zu haben schien, welches Programm gerade in ihr ablief. Lisa fühlte sich zurückversetzt in die Zeit, als Felipe versucht hatte, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Da war guter Rat nicht nur teuer, sondern auch ziemlich nutzlos.
»Eine von Stefans Mietwohnungen steht frei. Du kannst dort bestimmt vorübergehend wohnen«, bot ihr Vroni liebenswürdigerweise an. Auch seine Yacht war als mögliche Bleibe ins Spiel gekommen. Sehr nett von Stefan, da sie sich doch kaum kannten.
»Ich würde nicht mehr zurück ins Haus gehen. Wer weiß, was die noch vorhaben«, gab Claudia kurz vor der Abzweigung zu
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